BE (German Edition)
seinem Stuhl zurück. Legte den Kopf leicht zur Seite. Und raunte dann mit schweifender Geste: »Sakral!«
Das Wort schlug wie eine Faust in Bernds Magen. Sakral. Bernd sollte also einen sakralen Film machen. Da konnte er ja gleich Leni Riefenstahl als Regisseurin anheuern. Und wen würde so ein pompöses, selbstverliebtes Werk interessieren? Kinder sicherlich nicht. Und ein amerikanisches Filmstudio schon gar nicht. Bernd war entsetzt. Aber wer noch viel entsetzter war, war Wolfgang Petersen. Aus Petersens Sicht hatte Bernd ihn in eine unmögliche Lage gebracht: Bernd hatte Petersen zu diesem Projekt geholt, und nun stellte sich auf einmal heraus, dass er völlig dem Wohlwollen und den Vorstellungen eines unnachgiebigen Autors ausgeliefert war. Das ließ er nicht mit sich machen. Petersen war außer sich! Er wollte raus. Wenn Petersen ausstieg, würde alles vorbei sein, das wusste Bernd. Noch einmal würde er das Ruder nicht herumreißen und den Karren aus dem Dreck ziehen können. Bernd überlegte kurz und deutete dann auf die Zigarettenpackung vor ihm auf dem Tisch. Er werde sich nun eine Zigarette anzünden. Und er würde Petersen bitten, ihm einfach nur so lange zuzuhören, bis er diese Zigarette zu Ende geraucht hatte. Ein paar Minuten, länger würde es nicht dauern. Wenn Petersen nach der Zigarette nicht überzeugt war, dass »Die unendliche Geschichte« sein Film war, solle er gehen.
Was genau er während dieser einen Zigarettenlänge zu Petersen gesagt hatte, daran konnte sich Bernd auch nicht mehr genau erinnern. Auf jeden Fall hatten seine Worte den gewünschten Effekt. Petersen blieb weiterhin der Regisseur der »Unendlichen Geschichte«. Außerdem wurde beschlossen, dass Petersen gemeinsam mit Michael Ende eine Drehbuchfassung entwickeln sollte, mit der auch Ende zufrieden war. Petersen fuhr also nach Italien, wo Ende wie ein Hohepriester in einem Haus residierte, vor dessen Türen Jünger der »Unendlichen Geschichte« kampierten. Bernd war zuvor auch schon in diesem Haus gewesen und hatte den Zorn der Hausherrin auf sich gezogen, als er bei einem Abendessen in den Garten ging und dort an einem Baum seine Blase erleichterte. Was sollte schon dabei sein? Schließlich war das Haus laut Anna Gross, die dabei war, kein Tempel der Reinlichkeit und auch die Umgangsformen, die dort gepflegt wurden, alles andere als konservativ. Das Problem war nur, dass es sich bei dem Baum um einen »heiligen« Baum handelte, der von den Endes und ihren Jüngern angebetet wurde. Die Sache mit dem Baum trug nicht dazu bei, Bernds Beliebtheit bei Michael Endes Ehefrau zu fördern. Als sich Bernds Konflikt mit Michael Ende zuspitzte, ging sie so weit zu behaupten, dass Bernd ein Dämon sei, der ihren Mann mit seinem Charme verhext habe. Bernd, der nie verstehen konnte, wenn Leute auf ihn irrational reagierten und ihn mit so schweren Geschützen befeuerten, war davon sehr verletzt. Aber noch war es nicht so weit gekommen. Noch versuchten beide Parteien, sich im Guten zu einigen.
Während es bei »Die unendliche Geschichte« heiß herging, hatte Bernd ein weiteres Projekt am Kochen, das er unbedingt machen wollte: »Otto – der Film«. Ähnlich wie bei »Die unendliche Geschichte« erwartete er sich von Otto, dass der Film sowohl die Zuschauergruppen von »Christiane F.« als auch von »Das Boot« vereinen würde. Der Komiker Otto Waalkes war Anfang der Achtziger nicht nur ein gesellschaftliches, sondern auch ein kulturelles Phänomen, dessen Blödelhumor als anarchische Äußerungsform in den unterschiedlichsten Gesellschaftssparten enormen Erfolg hatte. Otto, der sich selbst als »Interpret geistiger Entlockerungsübungen« verstand, entlockerte sie alle: die konservativ Verkrusteten ebenso wie die politisch Desillusionierten und die jugendlich Gefrusteten. Otto war die Wiedererfindung des Clowns für ein Westdeutschland, dem seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs das gemeinsame Lachen vergangen war. Mit Otto wollte Bernd unbedingt einen Film machen. Es gab Gespräche, und Otto schien der Idee eines gemeinsamen Films mit Bernd durchaus aufgeschlossen. Schließlich kam es sogar so weit, dass Otto und sein Manager Bernd eine mündliche Zusage gaben. Allerdings gab es noch keinen Vertrag. Bernd traute dem Braten nicht. Er wusste, dass sein größter Konkurrent Horst Wendlandt auch an Otto dran war. Und Komiker sind komplizierte Lebewesen. Sie müssen das Gefühl haben, dass man sich um sie kümmert, sonst laufen sie schnell zur
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