BE (German Edition)
Weltstar geworden. Er war mit Freunden unterwegs und setzte sich irgendwann ans Klavier, um zu singen. Bernd, der sonst eine große Scheu gegenüber Stars und Prominenten hatte, hätte ihn nie angesprochen, wenn er nicht Stings Schauspieldebut »Quadrophenia« im Verleih gehabt hätte. So aber traute er sich und fragte Sting, ob er ihm ein Geburtstagsständchen singen würde. Sting schlug Bernd einen Deal vor: Er würde ihm etwas zum Geburtstag singen, wenn Bernd ihm sein Mickey-Mouse-T-Shirt gäbe. Und auch wenn Bernd noch Jahrzehnte später diesem besonders schönen Maus-Shirt nachtrauerte, er ließ sich damals auf den Handel ein. So kam es, dass Sting für Bernd in der Lobby des Chateau Marmont »Happy Birthday« sang.
Zurück zur »Unendlichen Geschichte«. Wolfgang Petersen war nun an Bord. Er war ein angesagter Regisseur, und mit Herman Weigels Drehbuch waren auch alle zufrieden. Es konnte vorwärtsgehen. Jetzt konnte Bernd endlich den US-Deal machen, ohne den »Die unendliche Geschichte« früher oder später sowieso kollabieren würde. Doch der Satz »alle waren mit Herman Weigels Drehbuch zufrieden« stimmte leider nicht ganz: Michael Ende hatte das Drehbuch noch nicht abgesegnet, und der hatte schließlich ein Vetorecht. Wenn ihm der fertige Film nicht gefiel, konnte Bernd einpacken. Bernd bemühte sich also sehr um ein positives Verhältnis zu dem Autor und schickte ihm Hermans Drehbuch. Endes Reaktion war alles andere als die, die sich Bernd erwartet hatte: Ende war entsetzt. Die Tatsache, dass Herman der Kindlichen Kaiserin zwei Leoparden als Bewacher neben den Thron gesetzt hatte, empfand Ende als eine fürchterliche »Conan«-fizierung seiner Geschichte. Und überhaupt, das sei ja alles »wie bei Disney«. Bernd sah Ende verständnislos an. Als bekennender »Disney«-Fan, der seine Mickey-Mouse-T-Shirts liebte und immer wieder nach Disneyland pilgerte wie Katholiken nach Lourdes, war »wie bei Disney« ein großes Kompliment. Was sollte denn daran schlecht sein?
Hier sei eingeschoben, dass das, was Bernd an Disneyland so liebte, die Kreation der perfekten Illusion war. Es berührte ihn, mit welcher Perfektion und Liebe zum Detail die »Mouseketeers« die Besucher zurück in eine heile Kindheit katapultierten. Disneyland, das war für Bernd auch so ein Land, in das seine geschundene Seele floh. Und er bewunderte die Menschen, die es fertigbrachten, Besucher jeden Alters, jeder Herkunft, jeden Geschlechts und jeder Ethnizität zu verzaubern. Wenn ihm genau das mit der Verfilmung von »Die unendliche Geschichte« gelingen würde, würde er sich glücklich schätzen. Michael Ende schwebte jedoch etwas vollkommen anderes vor. Man darf nicht vergessen, dass Ende durch »Die unendliche Geschichte« ein Guru der Alternativbewegung geworden war. Für diese war »Die unendliche Geschichte« wie eine Art Bibel, eine Metapher für die Zerstörung der Welt durch phantasielosen Kommerz. Die Vorstellung, dass es die Parallelwelt »Phantásien« gab, die unabhängig von der grauen Realität existierte und wo alles möglich war, war genau das Bild, das die Alternativbewegung von sich selbst hatte. Es war erst ein paar Jahre her, dass 1978 beim »Tunix«-Kongress in Berlin die radikale Linke, Vertreter der Öko- und Friedensbewegung, die Alternativbewegung ins Leben gerufen hatten. Aus dem Kongress ging sowohl die taz hervor als auch die Gründung einer Ökologie-Partei, die 1980 zur Gründung der Grünen führte. »Am Strand von Tunix« sollte eine Parallelgesellschaft etabliert werden, die ihre mythologische Erhöhung in Michael Endes »Phantásien« fand. Was Melvilles »Moby Dick« für die Rote Armee Fraktion gewesen war, war »Die unendliche Geschichte« für die Alternativbewegung.
Nur unter diesen Voraussetzungen kann man Michael Endes Antwort auf Bernds Frage verstehen, wie Ende sich denn die Verfilmung seines Buches vorstelle. Wenn schon nicht Disney, wie dann? Man muss sich Bernds innere Anspannung in dieser Situation vergegenwärtigen. Michael Ende hatte ihm, der Disney so liebte und für den Comics eine Religion waren, »Disney« gerade als ein Schimpfwort an den Kopf geworfen. Er hatte Millionen über Millionen Schulden. Für Bernd stand alles auf dem Spiel. Und Michael Ende stand da und hielt das Damoklesschwert über ihn. Was immer auch Ende für Vorstellungen von der Verfilmung seines Buchs hatte, Bernds Existenz hing davon ab. Ende ließ sich Zeit mit seiner Antwort. Räusperte sich. Lehnte sich auf
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