Beastly (German Edition)
dass sie Rosen mochte. »Will hat mich darauf gebracht. Ich glaube, er dachte, dass mir ein Hobby guttun würde. Am liebsten mag ich die Floribunda-Kletterrosen. Sie sind nicht so detailreich wie die Teehybriden. Ich meine damit, dass sie weniger Blütenblätterschichten haben. Aber sie können so hoch werden – wenn sie die richtige Pflege erhalten, werden sie bis zu drei Meter hoch.«
Ich schwieg. Ich klang schon wie diese freakigen Kids in der Schule, die Baseballstatistiken herunterrasseln konnten oder Der Herr der Ringe kannten, als wäre Frodo, der Hobbit, ein seit Langem verschollener Cousin.
»Die Rosen in meinem Zimmer«, sagte sie. »Sind sie von dir? Hast du sie gezogen?«
»Ja.« In den Tagen seit sie hier war, ließ ich Magda die gelben Rosen entfernen, wenn sie verwelkt waren, und durch weiße, die Reinheit symbolisierten, ersetzen. Ich hoffte, dass ich sie eines Tages durch rote austauschen konnte, die für Liebe standen. »Es würde mich freuen, wenn du dir meine Rosen anschauen würdest. Bisher hatte ich außer Magda niemanden, dem ich sie schenken konnte. Aber ich habe noch Dutzende andere. Wenn du herunterkommen möchtest, um sie zu sehen – oder um Unterricht zu bekommen –, können Will und Magda die ganze Zeit dabeibleiben, dann brauchst du dir keine Sorgen zu machen, dass ich dir etwas tun könnte.«
Ich wies sie nicht auf das Offensichtliche hin, nämlich dass sie jetzt allein mit mir war. Dass sie schon seit Tagen allein mit mir war und ihr einziger Schutz ein Blinder, eine alte Frau und eine dünne Tür waren und ich ihr trotzdem nichts getan hatte. Aber ich hoffte, dass ihr das aufgefallen war.
»Und du siehst wirklich so aus?«, fragte sie schließlich. »Das ist keine Maske, unter der du dein Gesicht verbirgst? So wie Kidnapper das machen?« Nervöses Lachen.
»Ich wünschte, es wäre so. Ich komme jetzt um das Sofa herum, dann kannst du es selbst sehen.« Ich schauderte bei dem Gedanken, mich von ihr untersuchen zu lassen, aber ich stand auf. Ich war froh, dass ich so viel wie möglich von mir verborgen hatte, aber ich blinzelte im hellen Licht. Ich dachte an Esmeralda, die Quasimodo nicht anschauen konnte. Ich war ein Monster. Ein Monster.
»Du kannst es berühren – mein Gesicht – wenn du ganz sicher sein willst«, sagte ich.
Sie schüttelte den Kopf. Nun da ich ihr näher war, wanderten ihre Blicke über meinen Körper, blieben an meinen zu Klauen entstellten Händen hängen. Schließlich nickte sie, und ich sah in ihren Augen, dass ich ihr leidtat. »Ich glaube, ich würde mich gern von Will unterrichten lassen. Wir könnten es zusammen versuchen, um ihm Zeit zu sparen. Aber wenn du zu dumm bist und nicht gut mitkommst, müssen wir das ändern. Ich bin an Begabtenklassen gewöhnt.«
Man merkte, dass sie nur Witze machte, aber es steckte auch ein wenig Ernst dahinter. Ich wollte noch einmal fragen, wie das jetzt mit dem Gewächshaus sei und ob sie vielleicht herunterkommen und mit Will, Magda und mir frühstücken wolle. Aber ich wollte den Bogen nicht überspannen, deshalb sagte ich: »Der Unterricht findet in meinen Zimmern beim Rosengarten statt. Im Erdgeschoss. Normalerweise beginnen wir um neun, und zurzeit lesen wir Shakespeare-Sonette.«
»Sonette?«
»Ja.« Ich kramte in meinem Gedächtnis nach einer Zeile, die ich zitieren konnte. Ich hatte in meiner einsamen Gefangenschaft seitenweise Gedichte auswendig gelernt. Das war meine Chance, sie zu beeindrucken. Aber mir dröhnte nur mein dummes Schweigen in den Ohren. Schließlich sagte ich doch etwas. »Shakespeare ist toll.«
So ein Schwachsinn. Shakespeare ist cool, Alter, oder was?
Aber sie lächelte. »Ja. Ich mag seine Dramen und seine Gedichte.« Noch ein nervöses Lächeln, und ich fragte mich, ob sie über unsere erste Begegnung ebenso erleichtert war wie ich. »Dann sollte ich jetzt schlafen gehen, damit ich bereit bin.«
»Klar.«
Sie wandte sich um und ging nach oben. Ich schaute ihr nach, wie sie zur Treppe ging und hinaufstieg. Dann hörte ich, wie ihre Schritte den oberen Treppenabsatz erreichten.
Erst als ich hörte, wie sich ihre Zimmertür öffnete und wieder schloss, gab ich meinen biestigen Instinkten nach und vollführte einen wilden Indianertanz durch das Zimmer.
7
Bereits vor Sonnenaufgang stand ich auf, um die toten Blätter von den Rosen zu entfernen, den Boden des Gewächshauses zu fegen und die Pflanzen zu gießen. Ich wollte das lange vor unserer Unterrichtsstunde erledigen, damit
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