Beastly (German Edition)
Will.
Ein weicher Ball, wie er versprochen hatte. Lehrer hatten mich immer dafür gelobt, wie ich vorlas. Und dieses Gedicht hatte ich wieder und wieder gelesen.
»Klar«, sagte ich.
»O wieviel mehr die Schönheit uns erfreut,
Wenn sie der Wahrheit reine Glorie schmückt!
Schön ist die Rose, doch noch mehr entzückt
Der süße Wohlgeruch, den sie uns beut.«
Natürlich vermasselte ich es, weil sie so nah bei mir saß. Ich stolperte über »die Schönheit uns erfreut«. Aber ich las weiter:
»Wohl glänzt die wilde Hagerose auch
So farbenreich geschmückt wie echte Rosen,
Spielt ganz so lieblich in der Winde Kosen,
Wenn sie der Lenz erschließt am dornigen Strauch:
Doch nur ein Schein ist ihre Herrlichkeit,
Sie welkt und stirbt, der Liebe nicht geweiht.
Nicht so die echte; ob sie auch verdorrt:
Nach ihrem Tode lebt ihr Duft noch fort.
Schönheit und Liebreiz flieht; was wahr und rein
In Dir, soll durch mein Lied unsterblich sein! «
Als ich fertig war, schaute ich auf. Lindy sah mich jedoch nicht an. Ich folgte ihrem Blick und merkte, dass sie durch die Glastür hinaus zu den Rosen starrte. Zu meinen Rosen. Wog die Schönheit meiner Rosen meine eigene Hässlichkeit auf?
»Adrian?« Will sagte etwas, vielleicht schon zum zweiten oder dritten Mal.
»Tut mir leid, wie bitte?«
»Ich fragte, was die Rose in dem Gedicht symbolisiert.«
Da ich das Gedicht zwanzigmal gelesen hatte, dachte ich, dass ich wüsste, was es bedeutete. Aber jetzt hielt ich mich zurück. Mir wurde bewusst, dass ich sie klug sein lassen wollte. »Was denkst du, Lindy?«
»Ich glaube, sie steht für die Echtheit«, sagte sie. »Shakespeare beschreibt, wie ihr Duft der Rose innere Schönheit verleiht. Und der Duft der Rose bleibt, selbst wenn die Blüte verwelkt.«
»Was ist eine Hagerose, Will?«, fragte ich.
»Eine Wildrose. Sie sieht aus wie eine Rose, hat aber nicht deren Duft.«
»Sie sieht also gut aus, ist aber nicht echt?«, sagte ich. »Wie Lindy sagte. Nur weil etwas schön ist, ist es noch lange nicht gut. Das will er damit sagen.«
Lindy schaute mich an, als wäre ich klug und nicht nur hässlich. »Aber etwas von der inneren Schönheit lebt ewig, so wie der Duft einer Rose.«
»Aber lebt denn der Duft einer Rose ewig?«, wollte Will von Lindy wissen.
Linda zuckte die Achseln. »Jemand hat mir einmal eine Rose geschenkt. Ich hab sie in einem Buch gepresst. Der Duft blieb nicht erhalten.«
Ich starrte sie an, weil ich wusste, welche Rose sie meinte.
Der Morgen ging schnell vorbei, und obwohl ich die anderen Themen nicht vorher gelernt hatte, gelang es mir, nicht wie ein kompletter Idiot dazustehen. Aber ich ließ sie immer ein bisschen klüger sein. Das war nicht schwierig.
Um halb eins fragte Will: »Isst du mit uns zu Mittag, Lindy?«
Ich war froh, dass er die Frage gestellt hatte und nicht ich. Ich hielt den Atem an. Ich glaube, wir hielten beide den Atem an.
»So wie in der Schul-Cafeteria?«, sagte Lindy. »Ja, das wäre schön.«
Falls irgendjemand glaubt, ich hätte Magda nicht darauf vorbereitet, der täuscht sich. Ich hatte sie ebenfalls um sechs Uhr aufgeweckt – sie war netter gewesen als Will –, und wir diskutierten über mögliche Gerichte, die keine Suppen, keine Salate und nichts anderweitig Schwieriges umfassten, was ich mit meinen Klauen hätte verkleckern können. Ich hasste den Umstand, dass ich auch aß wie eine Bestie, seit ich eine Bestie war. Aber ich bin glücklich sagen zu können, dass ich keinen Volltrottel aus mir machte, und am Nachmittag lernten wir weiter.
In dieser Nacht lag ich im Bett und erinnerte mich an den Moment, in dem ihre Hand die meine berührt hatte. Ich fragte mich, wie es wohl wäre, wenn sie mich nicht nur zufällig berühren würde und wenn sie zulassen würde, dass ich sie berührte.
MR. ANDERSON: Danke, dass ihr gekommen seid. Diese Woche sprechen wir über Verwandlung und Essen.
BEASTNYC: Aber ich möchte über dieses Mädchen sprechen. Bei mir ist dieses Mädchen. Wir sind Freunde, aber ich glaube, wir könnten auch mehr sein.
Grizzlyguy kommt in den Chat.
Teil 5: Prolog
FROGGIE: hi, grizz.
GRIZZLYGUY: Ich habe Neuigkeiten! Ich bin ein Mensch! Ich bin kein Bär mehr!
BEASTNYC: Ein Mensch?
FROGGIE: glckwunsch.
BEASTNYC: <– Total neidisch auf Grizz.
GRIZZLYGUY: Das Mädchen – sie heißt Schneeweißchen (also *nicht* Schneewittchen) – folgte mir in den Wald, als sie sich zu ihrem Sommerhaus aufmachten. Sie
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