Beautiful Americans - 03 - Leben á la carte
könnte glatt als Schauspieler in einem ernsten französischen Schwarz-Weiß-Film durchgehen, mit seinen unverwechselbaren tief liegenden blauen Augen und seinem offenen Gesicht. Er hat ein Gesicht, das sich einprägt. Warum versteckt er es sonst immer unter seinem Käppi? Er hat eine kräftige Statur, die trotz der Tatsache, dass er nicht besonders groß ist, Eindruck macht. Er scheint grundsätzlich gern alles unter Kontrolle zu haben.
Die Kellnerin bringt eine Tafel, auf der alle Tagesgerichte stehen. Meine Französischkenntnisse sind mittlerweile so gut geworden, dass ich alles für mich übersetzen kann. Denny beginnt, Fisch für uns beide zu ordern.
»Ich würde gern für mich selbst bestellen«, unterbreche ich ihn. »Je voudrais«, sage ich auf Französisch zu der Kellnerin, »la salade de betteraves et après un steak avec lardons.« Ich würde niemals jemand anders für mich ordern lassen, egal wie sehr er auch denkt, dass ich das möchte. Und außerdem ist Fisch eklig. Ich mag Proteine gern in Fett und mit Cognac abgelöscht, bitte sehr.
Denny bestellt eine Flasche Wein. Aber ich lasse mir nur einen Schluck eingießen. Obwohl es Samstagabend ist, muss ich morgen früh aufstehen, um auf einen bevorstehenden Geschichtstest zu lernen, und dann muss ich noch eine Kurzgeschichte für unseren Französisch-Kreativ-Schreibkurs verfassen. Anschließend muss ich im Internet recherchieren, um in Paris einen Kurs zu finden, der auf den Zulassungstest der amerikanischen Hochschulen vorbereitet. Was für ein Spaß! - Wahrscheinlich ungefähr genauso lustig wie damals, als meine Cousine Emily und ich während der Final-Four-Meisterschaft in einem Zug Richtung Westchester mit ungefähr dreihundert betrunkenen Wall-Street-Börsenmaklern im Schneesturm stecken geblieben sind.
»Woran denkst du gerade?«, fragt Denny.
Fast erzähle ich ihm die Wahrheit: dass ich gerade an den blöden Zulassungskurs denke. Mme Cuchon ist in letzter Zeit geradezu besessen von dem Thema, dass alle amerikanischen Schüler des Programms bei den Tests, die wir im kommenden Monat in Paris schreiben, mit richtig hoher Punktzahl abschneiden. Damit sollen die Eltern künftiger Schüler überzeugt werden, dass das Programm ihre Kinder in keinster Weise darin behindert, aufs College zu kommen - im Gegenteil, es hilft ihnen sogar, so lautet die These. Natürlich fand meine Mom (die in Bezug auf mein schulisches Leben zurzeit in ständigem E-Mail-Kontakt mit Mme Cuchon steht), es wäre eine hervorragende Idee, dass ich als Vorbereitung auf den Test einen Wochenendkurs belege.
Doch dann wird mir klar, dass ich wie ein braves kleines Schulkind klingen würde, wenn ich jetzt über den Test rede. Also halte ich lieber den Mund.
»Ach nichts.« Ich schaue mich bewundernd in dem Restaurant um. »Das erinnert mich an ein Lokal, in dem ich oft mit meinen Freunden war. Ich kann ohne Foie-gras -Pasteten ja fast nicht leben«, sage ich, obwohl ich Foie gras nicht ausstehen kann und mich die Konsistenz zum Würgen bringt. Danach habe ich keine Ahnung, was ich sagen soll, weil ich ums Verrecken noch immer nicht weiß, wie ich Denny beweisen soll, dass ich nicht die bin, für die er mich hält: eine süße Babysitterin mit einer Vorliebe für pinke Tulpen.
Ich schnappe mir die Weinflasche und fülle mein Glas.
Während ich einen großen, stärkenden Schluck nehme, wird mir klar, wie lange es her ist, dass ich Alkohol getrunken habe. Zu lange. Ich spüle den Rest des Glases hinunter und genieße den herben Geschmack, der meine Kehle überzieht. Kaum ist mein Glas geleert, bin ich gleich viel entspannter. Man könnte sogar glatt sagen, dass ich mich amüsiere. Ich fühle mich wieder wie ich selbst. Endlich! Und ich weiß auch, dass ich in Dennys grünem Kleid wieder ganz so aussehe wie ich selbst.
Das ist echt das Lustige daran: Dennys Wahrnehmung von mir kann gar nicht so falsch sein. Ich meine; er hat ein Kleid für mich ausgesucht, das ich hinreißend finde. Während wir unsere Vorspeise essen, werfe ich ihm einen langen Blick zu. Ob ich mich die ganze Zeit in ihm geirrt habe? Verführerisch klimpere ich mit den Wimpern.
»So, erzähl mir ein bisschen von dir, Alex«, sagt Denny, als wir auf unseren ersten Gang warten.
»Da gibt's nicht viel zu erzählen«, entgegne ich in einem Ton, der deutlich macht, dass das natürlich keineswegs stimmt. »Ich bin einfach nur Alex.«
»Warum beginnst du nicht einfach damit, woher du ursprünglich kommst?«
Ich
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