Beautiful Americans - 03 - Leben á la carte
goldenen Seidenpapiers. Vorsichtig, um es nicht zu zerreißen, und noch immer vollends verwirrt, wie diese ganze Szene heute Abend überhaupt zustande kam, hebe ich das Papier an und finde darin ein umwerfendes Seidenkleid. Es schimmert grün, mit zarten Flügelärmeln und einem Rundhalsausschnitt. Überrascht lasse ich die Schachtel mitsamt Papier zu Boden sinken und halte das Kleid hoch.
Marithe gibt einen erstaunten Laut von sich. »Guillaume! Komm schnell her!«, ruft sie ihrem Mann auf Französisch zu. Sie stolpert vorwärts, um die Seide zu befühlen. »Mon Dieu!« Sie sieht mich an. »Es ist wunderschön!«
Ich nicke. »Ja, es ist wunderschön.« Erstaunt schaue ich Denny an. »Wieso?«
»Dein Kleid, das du an dem Nachmittag anhattest, ist hinüber, oder?«
Ich ziehe eine Grimasse. »Ja.« Jetzt betritt auch Guillaume die Eingangsdiele, die mit uns fünfen ziemlich voll ist.
Marithe deutet auf das Kleid. »Er liebt Alex«, informiert sie ihren Mann. »Er hat ihr das Kleid geschenkt.«
Denny lächelt kurz, als er das zufällig mitbekommt. »Und, hat die leibliche Mutter dieser Kinder angeboten, es zu ersetzen oder reinigen zu lassen?«
Ich schüttle den Kopf. »Ach was - als ob!«
»Ich dachte, dass du vielleicht ein neues Kleid brauchst, und dass du, wenn ich es dir schenke, endlich einwilligst, mit mir auszugehen.«
Ich schnalze überrascht mit der Zunge und bewundere dann wieder das Kleid. Ich klemme mir die Tulpen unter den Arm, schließe kurz die Augen und gebe nach.
»Also gut«, sage ich zu Denny. »Ich gehe mit dir essen. Aber nur als gute Freunde.«
Denny macht eine kleine Verbeugung, als hätte er in einem Wettkampf gewonnen. Dabei fällt mir auf, dass er heute nicht nur sein Käppi nicht mehr trägt, sondern auch andere Hosen anhat. Jeans. Ohne Falten oder Karottenschnitt oder irgend so etwas Schreckliches.
Seine übermütige Verbeugung bringt mich fast wieder auf die Palme, aber dann schaue ich die grüne Seide und die schönen Tulpen an und spüre, wie sich meiner Kehle ein schrilles, aufgeregtes Kichern entringt.
»Du tauchst aber wirklich immer an den seltsamsten Plätzen auf, weißt du das?«, sage ich lachend und werfe alle Sorgen wegen unserer Verabredung über Bord. Das wird eine Geschichte, die ich meiner Mom, meiner Cousine Emily und Zack zum Besten geben kann, sollte er jemals wieder mit mir sprechen: Der Abend, an dem ein liebestoller Pariser an meine Tür kam und mir Blumen und ein Kleid schenkte.
Denny strahlt so sehr, dass Marithe kurz verschwindet, um ihre Digitalkamera zu holen. Schnell scheuche ich ihn weg, bevor sie zurückkommt, und schließe hinter ihm die Tür. Dann starre ich meine Gastfamilie an, das grüne Kleid über dem einen Arm und die Tulpen unter dem anderen.
»Die Show ist vorbei, Leute«, sage ich und marschiere in mein Zimmer zurück. »Finit.«
Dort angekommen, hänge ich das Kleid auf, das so hell und neu schimmert, dass alle mein anderen Klamotten dagegen alt und abgetragen aussehen.
* * *
Am Samstagabend rasiere ich mir die Beine und binde meine Haare zu einem glatten Pferdeschwanz, der bis auf mein Kleid fällt. Die grüne Seide passt toll zu meinen schwarzen Haaren. Denny hat wirklich die perfekte Farbe ausgesucht.
Denny ist um Punkt Viertel vor acht Uhr zur Stelle, und als ich mir eine Jacke überziehe und in den Hof trete, dämmert mir, dass mir genau das vorgeschwebt hat, als ich mich letztes Frühjahr dazu entschlossen habe, für ein Jahr nach Paris zu gehen. Exakt das.
Le Boudoir gehört zu diesen Restaurants mit einer täglich wechselnden Speisekarte. Es gibt auch nur zwei mögliche Termine, an denen man kommen kann, einmal um acht Uhr und einmal um neun Uhr abends. Denny bietet mir einen Stuhl an und wartet, bis ich sitze, ehe er selbst Platz nimmt.
»Ich dachte, das wäre ein Treffen unter Freunden.« Ich sehe ihn skeptisch an.
»Solange wir uns überhaupt treffen«, entgegnet Denny. Im Kerzenschein, ohne sein idiotisches Baseball-Käppi, sieht er irgendwie reifer aus als sonst und relaxt. Er ist anders als die Jungs aus dem Lycée, die ein Lokal immer in großen Gruppen belagern, sich in den nächstbesten Stuhl schmeißen und grinsend erwarten, sofort und zügig bedient zu werden. Er ist geduldig, fast elegant. Heute Abend mit seinem dunklen Anzug schießt mir die Frage durch den Kopf, ob ich ihn vielleicht doch falsch eingeschätzt habe. Er sieht ziemlich gut aus.
Als er mich dabei ertappt, wie ich ihn ansehe, lächelt er. Er
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