Beautiful Americans - 03 - Leben á la carte
wie es klingt: neidisch und missgünstig.
»Stimmt, stimmt. Glücklich ist der, der Freunde unter den Konzertveranstaltern und Webdesignern hat. Jetzt muss ich als Nächstes nur noch einen Weinhändler finden und vielleicht einen jamaikanischen Koch! Jedenfalls ist es herrlich, sich mit dir zu treffen. Ich hatte bisher irgendwie angenommen, dass du zu beschäftigt damit bist, eine schöne und beliebte Amerikanerin in Paris zu sein, um mir oder irgendeinem unserer Mittänzer die Ehre zu erweisen. Ich freue mich sehr, dass dem nicht so ist.« Er beugt sich vor und streichelt mir über die Wange, als wäre ich das süßeste Ding, das er je gesehen hat.
»Beschäftigt? Ich?«, sage ich. »Nicht wirklich.«
Die Kellnerin bringt unser Essen, ein mit starken Gewürzen eingeriebenes Grillhähnchen und eine Mischung aus Reis und Bohnen. Ich nehme einen Bissen und muss sofort husten. Die Chilischoten in der Soße brennen schon beim ersten Hautkontakt auf der Zunge. Hustend taste ich auf dem Tisch nach meinem Wasserglas, während André die ganze Zeit um mich herumschwirrt, ganz besorgt, dass ich nicht ersticke.
»Olivia! Guter Gott! Was ist los? Soll ich einen Arzt rufen?«
Ich schüttle den Kopf, während Verlegenheitstränen auf meinen Wangen brennen. Es ist nur ein Hühnchen, aber ich habe das Gefühl, als stünde »Landei« quer auf meiner Stirn und auf meinem ganzen Körper, meinen Kleidern. Auf meiner gesamten Persönlichkeit. »Es ist nur... echt scharf. Ich bin das einfach nicht gewöhnt.«
»Olivia, wow«, sagt André. »Wie schrecklich und traumatisch! Ich fühle mich ganz furchtbar, dass ich dich hierhergeschleppt habe. Warum hast du mir nicht gesagt, dass du kein scharfes Essen verträgst? Nicht weinen ... wir können dir was anderes organisieren. Ich will auf keinen Fall, dass du verhungerst! Du bist echt ein Strich in der Landschaft!«
»Nein, deshalb weine ich gar nicht«, erkläre ich und wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen. Nichts an diesem Ort, an dieser Zeit fühlt sich normal an. »Warum willst du eigentlich überhaupt Zeit mit mir verbringen, André? Hast du etwa Mitleid mit mir oder so was? Ich meine, schau mich doch mal an.« Ich verkrampfe meine Hände ineinander, während mir weiter die Tränen über die Wangen laufen und mein ungekämmtes Haar schwer und ungebändigt auf meinen Schultern hängt. »Ich bin doch ein einziges Desaster!«
»Wir lassen uns das Essen einpacken«, verkündet André. »Ich glaube, ich gehe mit dir jetzt am besten zu meiner Freundin Marni, bevor du noch ganz durchdrehst.«
Le Marché des Enfants Rouges ist einen Katzensprung von der École Nationale Superieure d'Arts et Metiers entfernt - einer großen Kunst- und Design-Schule in einer sehr hippen Ecke des rechten Seineufers. Während ich mit André über die breite Rue Reamur auf das Campusgelände zusteuere, werde ich immer befangener. Ich sehe die Mädchen, die dort zur Schule gehen und rumhängen, mit ihren topmodischen Fransenfrisuren, ihren schwingenden Miniröcken, ihren Strumpfhosen und hohen Stiefeln und komme mir mehr denn je wie ein Landei vor. Ich meine, ich trage Lammfellstiefel.
»On y va ?«, schlägt André vor und wir biegen links in die Rue Montgoreuil, eine Fußgängerzone, ein. Alle Geschäfte und Cafés hier sirren vor jugendlicher, kreativer Energie. Ein alter und vertrauter Geruch steigt mir in die Nase, und ich sehe, dass es sich um einen Vintage-Klamottenladen handelt, dessen vollgestopfte Regale von Mädchen mit pinkem, rotem oder blauem Haar geplündert werden. Ein anderer altbekannter Duft weht aus dem Subway zu mir herüber - nach frisch gebackenem Brot. Subway ist eine der wenigen Fast-Food-Ketten, die mein Bruder Brian wirklich liebt. Das Thunfisch-Sandwich mag er nur von dort und wirklich nur von dort. Wenn meine Mom ihm zu Hause ein Brot mit Thunfischsalat machen will, rührt er es nicht an. Aus irgendeinem Grund ist es aber okay, wenn es von Subway kommt. Ich würde den Geruch von einem Subway überall wiedererkennen. In mir steigt Heimweh auf und kurz darauf Wut auf mich selbst. Wie sooft in letzter Zeit.
Endlich gehen wir, samt unseren Tüten mit noch immer heißen Hühnchen in Andrés Hand, in eine kleine Boutique, die Kristalle und Zaubertränke verkauft. Die Wände im Inneren sind schwarz und rot bemalt und eine sich drehende Discokugel beleuchtet Regalfächer voller Bücher, Räucherstäbchen, alten Schallplatten und allem möglichen anderen Krimskrams.
» Bonjour ,
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