Beautiful Americans 03 - Leben á la carte
tanzen.«
»Non!«, protestiere ich. »Ich kann nicht tanzen.«
»Du siehst aber so aus«, schaltet sich Freddie ein - es ist das Erste, was er sagt, seit ich hier stehe. Befangen hebe ich meine Hand an die Lippen und verschmiere dabei den roten Lippenstift.
Ich schlucke schwer. »Ich habe keine Ahnung vom Tanzen.«
»Du kannst einfach ton derrière herumschütteln«, sagt Griselda. »Manchmal die Kunden wollen auch nur jemanden haben, mit dem sie können reden. Ich arbeite heute vorne. Ich werde dir nur die schicken, von denen ich weiß, dass sie erwarten nicht allzu viel. Ça sera bien.«
Ich schüttle den Kopf, aber an der Art und Weise, wie mich Freddie und Griselda ansehen, weiß ich, dass ich tanzen muss, wenn ich nicht meinen Job verlieren will. Und damit auch die grünen Geldscheinbündel, die ich anspare. Aber ich brauche mehr, viel mehr, wenn ich jemals Paris oder den Marquets entfliehen möchte.
»Was, wenn sich jemand weigert, aus dem Zimmer zu gehen?«, frage ich unglücklich. »Was mache ich dann?«
»Ein paar Männer werden versuchen, die Sicherheitswachen zu bestechen, damit sie länger bleiben können«, sagt Freddie. »Aber zu deinem Glück gebe ich den Sicherheitswachen mehr als die Kunden. Meine Mädchen sind mein wertvollstes Kapital. Dir wird nichts geschehen.«
Bevor Griselda mich verlässt, um vorne ihren Posten zu beziehen, drückt sie eine großzügige Menge eines fruchtig riechenden Haargels aus einer Tube und streicht mir damit die Haare aus dem Gesicht. Es hängt nun lang meinen Rücken hinunter. »Oui, c'est bien.« Griselda küsst mich auf beide Wangen. »Gutes Mädchen.«
In Genevièves Zimmer steht eine Couch, auf der ich manchmal schlafe. Hier machen es sich die Männer bequem, während sie ihr beim Tanzen zusehen. Direkt davor befindet sich ein erhöhtes Podest mit einer Stange. Etwa einen Meter davon entfernt steht ein Holzstuhl. Die Tänzerinnen sollen auf dem Stuhl sitzen, wenn ein Mann hereinkommt, sodass sie bereit aussehen.
Lange Zeit schickt mir Griselda niemanden - erst als es fast schon Mitternacht ist.
Als der Mann hereinkommt, begrüßt er mich und zieht seine Jacke aus. »Je suis nouveau «, sagt er mit einem Kichern. Oben bekommt er schon eine Glatze, aber an den Seiten und hinten hat er noch büscheliges Haar. Klein und dickbäuchig, wie er ist, sieht er genau so aus, wie man sich einen Strip-Klub-Kunden vorstellt, der zum ersten Mal kommt. Er ist völlig aus dem Häuschen. Und ziemlich nervös.
Vom Büro aus wird Musik in die Räume übertragen. Bei der Erinnerung daran, dass ich an der Stelle schon geschlafen habe, wo er gerade sitzt, bekomme ich ein komisches Gefühl in der Magengegend.
Entsetzt stehe ich auf und spüre, wie ich schwanke und leicht nach vorne kippe.
Strauchelnd gehe ich auf das Podest zu, stolpere aber beim Hinaufsteigen mit der langen Spitze des einen Schuhs über den hohen Absatz des anderen und falle hin. Benommen, unfähig, etwas klar erkennen zu können, rolle ich mich neben der provisorischen Bühne zusammen. Eine Stelle oben an meinem Kopf fühlt sich feucht an und ich meine, Blut auf der Bühne gesehen zu haben.
»Je suis desolée«, flüstere ich. »Ich fühle mich nicht gut.« Fast kommt mir das Brot, das ich bei Zack hinuntergeschlungen habe, wieder hoch.
Der Mann sieht mich überrascht an, dann wird seine Miene ängstlich. Ohne auch nur ein Wort zu sagen, schnappt er sich seine Sachen und verschwindet.
* * *
Wenige Minuten später kommt Griselda herein, die Arme über ihrem Dekolleté verschränkt. »Fiona!«, schimpft sie. »Was ist los mit dir?«
Benebelt stehe ich auf und schiebe sie von mir weg. »Ich kann das nicht!« Erst nachdem ich es ausgesprochen habe, registriere ich, dass ich die Worte laut geschrien habe. Ich husche an Griselda vorbei durch die Tür und verlasse Freddies Klub auf Nimmerwiedersehen.
Während ich die Lichter von Pigalle hinter mir lasse, laufe ich so schnell ich kann auf Ternes zu, auch wenn es mir Angst macht, in mein altes Viertel zurückzukehren. Beim bloßen Gedanken daran wird mir schon schwindelig. Seit der Nacht, als M. Marquet mich anfassen wollte und ich in die entgegengesetzte Richtung zum Gare du Nord gerannt bin, war ich nicht mehr hier.
Ich halte mir den Bauch und stolpere zu Olivias Unterkunft. Mir ist genauso übel und elend zumute wie damals in meinen ersten Tagen in Paris, als ich in einer Telefonzelle ohnmächtig geworden bin und Olivia mich gefunden und mit zu Mme
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