Beautiful Americans 03 - Leben á la carte
klicken. Als die Verbindung unterbrochen wird, leuchtet seine Nummer auf dem Display.
Inzwischen ist es zu dunkel, um noch länger auf dem Place Cambronne zu sitzen, und außerdem beginnen nun die Alkis und Penner den Platz in Beschlag zu nehmen, wo eben noch Mütter mit Kinderwägen und glückliche Pärchen auf den Bänken saßen. Ich starre auf mein Handy und schicke ein Stoßgebet zum Himmel, dass irgendjemand anruft. Aber wer sollte das tun?
Olivia, Gott segne sie, ist zu deprimiert, um irgendetwas unternehmen zu wollen. PJ und Jay schauen sich wahrscheinlich gerade irgendwo an ihrem Lieblingsort verliebt in die Augen. Und André hat sich bestimmt schon nach jemand Neuem umgeschaut.
lind Alex, so perfekt Alex auch in solchen Augenblicken wie diesen immer war - ich kann ihr einfach noch nicht vergeben. In Alex' Augen gleicht ein Samstagabend in Paris einer Schatzjagd, einem Such-dir-dein-eigenes-Abenteuer-Buch. Eine Nacht wie diese würde sie mit offenen Armen willkommen heißen - ohne Pläne und ohne Erwartungen mit dem joie de vivre, von dem ganze Opern handeln. Ich wünschte, ich könnte klein beigeben und sie anrufen. Es ist nämlich ganz schön belastend, sie zu hassen. Ich ziehe diese Last wie einen übervollen Rollkoffer mit kaputtem Griff ständig hinter mir her. Er ist klobig, unerträglich und raubt mir einfach viel zu viel Energie. Aber jedes Mal, wenn ich daran denke, wie Alex sich unsere Route durch Südfrankreich ausgedacht hat, wo sie wie eine Klette an Jay hing und mich abgeschüttelt hat, wann immer es ihr gerade passte, bekomme ich so ein erdrückendes Gefühl in der Brust, als hätte ich einen zu großen Bissen Steak hinuntergeschluckt. Nein. Ich werde es nicht tun. So leicht gebe ich nicht nach. Als ich ihr in Cannes gesagt habe, dass ich mit ihr fertig sei, habe ich das ernst gemeint.
Wieder in meiner Gastunterkunft, ist alles genauso trübselig. Romy und Jacques sind mit Mireille zu einer Samstagabendmesse in der Èglise Saint-Étienne de Cambronne gegangen, und Paul isst bei einem Freund zu Abend. Bleiben also nur Kevin, die Familienkatze, und ich.
Es ist nie eine gute Idee, am Samstagabend bei Facebook unterwegs zu sein, aber ich mache es trotzdem, für die nächste halbe Stunde. Ich sehe mir die Profile von Leuten daheim in Tennessee an und bekomme mit, was sie in Memphis so treiben. Piersons Seite ist so beliebt wie eh und je, mit lauter Kommentaren auf Englisch und Holländisch, kleinen Dialogen, Insider-Witzen und Vorschlägen, sich mal auf ein Bier zu treffen oder in Amsterdam zu einer Hasch-Bar zu gehen. Die Kids zu Hause finden es unendlich cool, dass Pierson in Amsterdam ist. Meine eigene Seite hat nicht annähernd so viele Fans und Gratulanten wie seine.
Fast hätte ich Pierson einen Kommentar hinterlassen, damit ich mich nicht so ausgeschlossen fühle, aber dann wird mir klar, dass er (und alle anderen) natürlich das Datum und die Uhrzeit meines Kommentars sehen könnten und dadurch wüssten, dass ich an einem Samstagabend allein zu Hause war.
Meine eigene Seite ist farblos. In der Ecke, in der Facebook per Zufallsprinzip die Bilder von Freunden auftauchen lässt, lächeln mich Mary und Sara-Louise an. Beide haben dasselbe Bild: zu zweit auf einem Karussell auf dem Champs de Mars. Nur Sara-Louise wäre so kindisch, den Karussellbetreiber zu bitten, dass er sie zusammen auf dem Karussell fotografiert.
Was die beiden wohl heute Abend machen? In letzter Zeit sieht man sie zusammen mit Alex, aber auch nicht immer. Als ich Marys Seite anklicke, sehe ich einen Kommentar von Sara-Louise, den sie heute zu einem früheren Zeitpunkt gepostet hat: »Wenn du von deinen Gasteltern Gin mopst, bringe ich Tonic mit! Bis heute Abend, mon amie! XXX SL.«
Zwei andere aus dem Programm haben »Gefällt mir« unter ihrem Kommentar angeklickt.
Veranstaltet Mary heute Abend etwa eine Party? Wie konnte das nur unbemerkt an mir vorübergehen?
Ich rufe Mary an, noch bevor mir richtig ins Bewusstsein dringen kann, was für ein mitleiderregender Schachzug das ist.
»Hey, Zackalicious«, sagt sie. »Wo warst du all ma vie?«
»Na ja, du weißt schon, hier und dort«, erwidere ich. »Was treibt ihr Ladys heute Abend denn so?«
»Saufen. Nächste Frage«, antwortet sie. »Hast du Lust, heute Abend dem 14. Zusatzartikel zu trotzen? Ich habe ein paar Leute eingeladen und mache eine Michael-Gondry-Retrospektive.«
»Fantastisch!« Ich frage mich, ob ich genauso übereifrig klinge, wie ich mich
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