Beautiful Americans 03 - Leben á la carte
erwarten kann, dass ich ihm vertraue.
Als ich merke, dass wir bereits an meiner Station angekommen sind, springe ich schnell auf, um mich durch die sich schließende Tür zu quetschen. Aber André hält mich gewaltsam zurück. »Nein, kommt nicht infrage!«, sagt er lachend.
Bis aufs Blut gereizt, hole ich tief Luft.
»Was soll das denn jetzt, André?«
»Spiel heute Abend nicht deine Spielchen!«, sagt André kokett. »Du hast dein Bobby-Spiel gespielt und so getan, als hättest du einen kleinen holländischen Freund. Dann hast du beim Palais Royal mit einem Mädchen rumgeknutscht, gerade in dem Moment, als ich auf dich zugekommen bin. Und worum geht's jetzt hier?«
»Das waren keine Spielchen«, protestiere ich. »Ich bin ja wohl eindeutig nicht derjenige, der hier irgendwelche Spielchen spielt!«
»Ich kenne da aber ein paar schöne Spiele, die wir spielen könnten«, antwortet André und beugt sich lachend zu meinem Hals vor.
»André, lass das«, sage ich leise und ziehe mein Handy heraus. Langsam bekomme ich es mit der Angst zu tun. Das mulmig-beklommene Gefühl wie in einer Geisterbahn will einfach nicht weggehen. Lässt André denn niemals locker? Ich brauche dringend Unterstützung. Ich schreibe eine SMS und habe sie, noch ehe ich mich versehe, auch schon an Alex abgeschickt.
Bereits eine Sekunde später ruft Alex aufgeregt an. »Wo bist du?«, will sie wissen. Es überrascht mich, wie besorgt sie klingt. Wir haben seit gut einem Monat kein Wort mehr miteinander gewechselt.
»Ich steige gleich bei Sevrès-Lecourbe aus der Metro aus.« Ich habe mein Gesicht von André abgewendet und spreche ganz leise ins Handy. »Das klingt vielleicht seltsam, aber kannst du mich dort treffen?«
»Klar!«, sagt sie in verbindlichem und ernstem Ton. »Ich bin sofort da.«
Mich durchflutet Zuversicht und Erleichterung.
Als die Tür aufgeht, komme ich Andrés goliathhafter Tänzerkraft zuvor und schüttle seine Hand von meinem Arm ab. »André, nein. Gute Nacht.« Damit sause ich schnurstracks zur Tür, hechte aus dem Zug und renne, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinauf.
Als ich oben aus der Station herauskomme, erblicke ich schon Alex. Sie hastet in einer schlichten, gerade geschnittenen Jeans, einem Kapuzen-Sweatshirt und alten Tennisschuhen die schwach beleuchtete Rue de Vaugirard auf mich zu. Ich erkenne sie kaum wieder. Sie trägt keinen Kajal, ja noch nicht mal Lipgloss! In so einfacher Aufmachung habe ich sie noch nie gesehen.
»Hey, was ist los?«, fragt sie. »Ich bin so schnell ich konnte hergekommen.«
Es bewegt mich, Alex so außer Atem und schwitzend vor mir zu sehen. »Hast du eine Zigarette?«, frage ich sie, weil mich plötzlich die Lust überkommt, meine Anspannung durch das Paffen einer Zigarette zu lösen, so wie sie das immer macht.
»Ich habe keine«, entgegnet sie. »Ich hab aufgehört.«
»Echt?«, frage ich völlig geschockt. »Wann denn das?«
»Ach, na ja, vor Kurzem«, antwortet Alex. »Es ist gar nicht mehr so cool, zu rauchen. Ich fand es irgendwann an der Zeit. Aber was ist denn nun los? Alles okay mit dir?«
»Da war nur dieser Typ.« Ich schaue mich nach allen Seiten um, um zu sehen, ob André es vielleicht doch noch schnell genug hinter mir aus der U-Bahn geschafft hat. »Er ist mir in der U-Bahn auf die Pelle gerückt.«
»Ein Fremder?« Alex verzieht angewidert das Gesicht. »Wie abgeschmackt .«
Ich kann nicht aufhören, mich weiter umzuschauen. Denn ich werde das Gefühl nicht los, er könnte jeden Moment irgendwo auftauchen, selbst wenn ich ihn nirgends sehen kann.
»Zack!«, ruft Alex plötzlich mit einem Blick auf meine Hände. »Du zitterst ja!«
Plötzlich fühle ich mich genauso wie manchmal, wenn ich zu hektisch aufstehe. Mein Arzt meint, das läge an meinem niedrigen Blutdruck. Ich spüre, dass der Sauerstoff nicht mehr schnell genug in mein Gehirn gelangt. Ich kann mich gerade noch rechtzeitig abwenden, um Alex nicht zu treffen, aber es war ziemlich knapp. Noch mehr von Sara-Louises und Anouks Magen-Pâté fliegt auf den Bürgersteig.
»Zack!«, schreit Alex wieder. »Oh mein Gott! Bist du okay?«
Ich wische mir schaudernd über die Mundwinkel. »Äh, tut mir leid. Ich habe gerade was Komisches gegessen.«
»Keine Sorge. Ob du's glaubst oder nicht, aber das ist nicht das erste Mal, dass ich diese Woche einem Schwall Erbrochenem ausweichen musste.«
Während sie mich mit einer Schulter stützt, bringt sie mich in eine alimentation
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