Beautiful Americans 03 - Leben á la carte
Gar nicht schlecht, ein wenig ölig und ziemlich salzig. Ich streiche mir den Dip auf mehrere Brotstücke und mampfe alles auf, während Sara-Louise weiterredet.
»Und, freut ihr euch alle schon auf die Osterferien?«, fragt sie munter und schaut mit großen Augen in die Runde. »Ich würde mal sagen, Paris ist nicht die schlechteste Stadt, um eine Woche Ferien zu verbringen. Auf jeden Fall besser, als nach Hause zu fahren und sich irgendwelche Colleges anzuschauen, so wie das meine Mom gern wollte«, lacht sie. Eines Tages wird sie mal eine wundervolle Empfangsdame in einem pharmazeutisch-technischen Labor abgeben. Sie ist blond, hat ein richtiges Engelchengesicht und ich wette, sie hat immer und überall Erdnussbutter-Schokoriegel dabei.
Niemand reagiert. Patty steht auf, um George mehr Wein zu holen. Alle tun so, als würden sie sich La Science des Reves anschauen.
Nach einer langen Szene, in der der Held des Films über eine verkleinerte Pappversion von Paris hinwegfliegt - so sieht es zumindest aus -, sagt Tina schnaubend: »Dieser Film ist schwul. Warum schauen wir uns den eigentlich an?«
Tina und ihre Zwillingsschwester gleichen sich wirklich wie ein Ei dem anderen, aber die eine trägt ihre von blonden Strähnen durchsetzten Haare immer hochgesteckt, die andere offen. Heute hat Tina den Pferdeschwanz. Sie hat ihn so hoch und fest zusammengebunden, dass es ihr richtig die Haut auf der Stirn zurückzieht. Das sieht fast so aus, als müsste es ihr wehtun. Beide sind eher klein - kompakte kleine Cheerleader-Typen. Im falschen Licht sehen sie wie kleine blonde Ratten aus. Heute ist zum Beispiel so ein Abend.
Patty kehrt zurück und reicht George sein nun wieder volles Glas Wein. In seinen großen Pranken wirkt das Glas ziemlich zart und zerbrechlich.
»Ach komm, Tina, gefällt dir der Film nicht?«, fragt sie ihre Schwester und setzt ironisch hinzu: »Also, ich finde ihn ja total toll.«
»Igitt, ich finde ihn todlangweilig.«
Sara-Louise spannt sich an. »Hey, gebt dem Film eine Chance, Leute!«
Mary, ein totaler Filmfan, bekommt ihre Worte nicht mal mit, so verzückt ist sie von Gael Garcia Bernal.
»Nee, mal ganz im Ernst, der Film ist echt für Tucken«, behauptet George. »Es ist Samstagabend und wir schauen uns Filme an? Und dann auch noch Schwuchtelfilme? Was ist nur mit diesem Programm los?« Da ist es wieder: dieses Wort. Seit meiner Abreise aus Tennessee im letzten September habe ich es nicht mehr gehört. Es fühlt sich an, als ob man sich den Finger an Papier schneidet: Es ist nur ein kleiner Ritzer, aber trotzdem tut es so weh, dass man heulen könnte.
»Was möchtest du denn lieber tun, George?«, fragt Sara-Louise ihn. In ihrem hübschen lavendelfarbenen kurzärmeligen Lucille-Kleid sieht sie proper und adrett aus. Fehlt nur noch die Schürze. »Du bist ein freier Mann und kannst gerne gehen, wenn du lieber was anderes machen möchtest.«
»Ich will den Film sehen«, sage ich in der Hoffnung, damit bei Sara-Louise zu punkten. »Ich finde ihn gut.« Meine Stimme klingt zu hoch und schrill.
»Ja, kein Wunder«, entgegnet George mit sich verfinsternder Miene. Er sieht mich noch immer an. »Wie ich schon gesagt habe: Es ist ein Film für Tucken.«
Ich schlucke. George durchbohrt mich fast mit seinem Blick, als wolle er mich niederstarren. Seine braunen Haare hängen ihm in die Augen, aber er streicht sie nicht beiseite. Er bewegt sich überhaupt kein bisschen.
»Entschuldigt, aber ich bin gerade mitten in einer Michael- Gondry-Retrospektive«, schaltet sich Mary ein, dreht sich um und setzt sich aufrechter hin, um George besser ins Gesicht sehen zu können. »Kannst du mal deine Klappe halten?« Mary hat sich kürzlich eine rote Strähne in ihre nach außen gefönte Ponyfrisur machen lassen. Sie und George geben fast das Bild eines Wettkampfs zwischen einem Popper und einem Punk ab. Wie Streithähne schauen sie sich an.
Tina und Patty wenden den Blick ab. Als gute Mädels aus dem Süden der USA wollen sie ihre Gastgeberin nicht beleidigen, aber sie können auch George den Mund nicht verbieten.
»Michael Gondry ist schwul«, behauptet George weiter und starrt mir direkt in die Augen.
»Woher willst du das denn wissen?«, fragt Mary. »Hast du das etwa in der Internet-Filmdatenbank gelesen? Oder hast du ihn höchstpersönlich angerufen und ihn gebeten, dass er sich dir gegenüber outet?«
»Hast du's noch nicht gehört, Mary?«, fragt George, ohne sein höhnisches Grinsen zu
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