Beautiful Americans 03 - Leben á la carte
»Wann willst du deine eigene Mutter informieren?«
»Nie«, sage ich. »C.A.B. ist in dieser Situation natürlich eigentlich sofort in Kenntnis zu setzen - wie in allen Situationen, wenn ich im Schlamassel stecke.«
»Habt ihr euch nach dem Weihnachtszoff denn wieder einigermaßen vertragen?« Sein Ton ist locker, so als ob es ihn gar nicht groß interessiere, aber an seinen gespitzten Ohren merke ich, dass es ihn ziemlich beschäftigt hat.
»Im Moment schon«, sage ich. Von allen Leuten, mit denen ich in Frankreich zu tun habe, ist Zack derjenige, der mit Abstand das meiste über mein angespanntes Verhältnis zu meiner Mutter weiß. »Aber wir bewegen uns noch immer auf dünnem Eis. Ich möchte nichts aufs Spiel setzen.«
»Was sollen wir dann machen?«
»Na ja, ich habe im Kühlschrank eine Flasche Shiraz entdeckt, die noch zu zwei Dritteln voll ist. Ich könnte was zu trinken gebrauchen. Und du?«
» Absolument «, stimmt Zack mir zu. In diesem Augenblick klingelt sein Handy. »Es ist Sara-Louise«, verkündet er.
Ich gehe zum Kühlschrank und komme mit zwei Gläsern Wein wieder. Nun ja, >Gläser< stimmt nicht ganz: Mme Sanxay scheint irgendwie keine Weingläser zu besitzen. Um genau zu sein, sind die einzigen sauberen Trinkbehälter Schnabeltassen, die ich ganz hinten im Küchenschrank gefunden habe.
Ich stoße mit Zack mit unseren Plastiktassen an.
»Was wollte Sara-Louise denn?«
»Sie und Mary haben sich Sorgen um mich gemacht. Ich bin heute Abend aus Marys Wohnung gestürmt, ohne Tschüss zu sagen. Wäre es nicht cool, wenn Sara-Louise und Mary zu uns rüberkämen?«, fragt Zack. »Als ich sie heute Abend gesehen habe, habe ich mir gewünscht, mehr Zeit mit ihnen zu verbringen. Bevor George dann alles verdorben hat.«
»Dann sollen sie gleich mal herkommen!«, sage ich. »Wenn du sie schon ewig nicht mehr gesehen hast, dann ich noch länger! Lass mich mal auf die Suche gehen, ob ich noch irgendwo eine Flasche Wein finde.«
Zack und ich tragen Albert und Emeline in ihre jeweiligen Zimmer und lassen die singende Meerjungfrau im Fernseher verstummen. Als ich mich im Apartment der Sanxays umschaue, ist es mir plötzlich ein bisschen peinlich, dass Besuch kommt und die Wohnung in so einem unaufgeräumten, schmuddeligen Zustand ist. Aber schließlich ist es ja nicht meine Wohnung. Was, wenn Mme Sanxay ihre Kinder nun mal in einem Saustall großziehen will? Was habe ich für ein Recht, etwas dagegen zu sagen?
Ich reiße die Tür auf, um Sara-Louise und Mary zu begrüßen, und stürme auf sie zu, um beide gleichzeitig zu umarmen. Erst da registriere ich, dass ich nicht nur die beiden willkommen heiße, sondern auch Anouk, Kyle, Nathan, Sammy, Cory und ein französisches Mädchen, das, soweit ich mich dunkel erinnere, im ersten Schulhalbjahr versucht hat, mit Zack zu knutschen.
»Je m'appelle Tallis«, sagt sie und begrüßt mich mit einer kalten, ausgestreckten Hand. Als sie Zack sieht, wird sie rot und hängt sich bei Cory ein.
»Wir haben Bier mitgebracht«, sagt Nathan. »Wo ist der Kühlschrank?«
Erschrocken sehe ich Zack an. Mme Sanxay mag mir ja - falls sie spät nach Hause käme - vielleicht noch verzeihen, wenn ich ein, zwei Freunde eingeladen hätte, die mir ein bisschen Gesellschaft leisten. Aber gleich ein ganzer Haufen - da würde sie sicher an die Decke gehen!
Zack verzieht das Gesicht: Er hat auch nicht so viele Leute erwartet, als er mich wegen Sara-Louise und Mary angesprochen hat. Unsere Blicke treffen sich, denn wir wissen beide, wie es mit diesen Kids laufen wird: Sie machen sich in der ganzen Wohnung breit, saufen, rauchen und veranstalten bis in die frühen Morgenstunden Gelage.
Ich hole tief Luft und denke daran, dass mir Mme Sanxay echt einen großen Gefallen dafür schuldet, dass sie mir ohne jede Vorwarnung zusätzliche Arbeitsstunden aufgebrummt hat. Also bitte ich meine Gäste mit einer ausladenden Geste herein und führe sie ins unordentliche Wohnzimmer. »Faites comme chez vous«, sage ich großzügig.
»Meine Gasteltern haben uns allesamt rausgeschmissen, als Patty und Tina sich einen Fünfundvierziger-Portwein, den sie in einem speziellen Behälter im Wohnzimmer aufbewahren, hinter die Binde kippen wollten«, erklärt Mary, während sie es sich mit einer Campingtasse, die bis obenhin mit einem streng riechenden alkoholischen Getränk voll ist, auf der Couch bequem macht. »Hast du Eis? Mein Drink wird langsam warm.«
»Mary, wir sind hier in Frankreich«, kontert
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