Beautiful Americans 03 - Leben á la carte
fördern, von denen niemand bisher auch nur im Entferntesten etwas ahnt. Es ist eine riesengroße Schweinerei. Je mehr ich über meinen eigenen Onkel in Erfahrung gebracht habe, desto mehr verachte ich ihn. Ich kann ihm gegenüber nicht länger ergeben sein.«
»Dann ergib dich dem hier«, sagt Jay ruhig. Damit versetzt er Denis einen heftigen Kinnhaken. Denis' Lippen reißen auf und bluten, aber er schlägt nicht zurück.
»Okay«, sagt Jay. »Wir sind quitt. Es ist vorbei.«
»Jay.« Alex legt ihm ihre Hand auf den Arm. »Was meinst du damit?«
»Was immer du von diesem Kerl willst«, antwortet er ihr in einem Ton, in dem mehr mitschwingt, als ich deuten kann, »halte PJ und mich bitte raus, ja?«
Alex nickt, ihr kurvenreicher Körper ist ganz reglos und erstarrt. Es liegt eine Spannung in der Luft, die ich nicht entschlüsseln kann, aber andererseits ist ja schon seit Längerem nichts mehr normal. Warum sollte es also heute Abend anders sein?
»Und, Alex?«, sagt Jay sanft im Gehen.
»Ja?«, fragt sie, ohne uns beide anzusehen.
»Pass auf dich auf.«
Endlich begegnet sie unseren Blicken und lächelt uns angespannt an. »Gute Nacht, ihr zwei.«
23 • OLIVIA
Gute Geheimnisse – schlimme Geheimnisse
Am Montagmorgen zitiert mich Mme Cuchon in ihr Büro. Ich nehme auf dem grünem Ledersofa Platz und verschränke die Hände im Schoß. Mme Cuchon telefoniert noch mit jemandem, während alle Lämpchen auf ihrem kleinen Schaltbrett blinken. Die Sache mit PJ und den Marquets hat eine ungeheure öffentliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen.
»Die Pressekonferenz findet heute Nachmittag um vierzehn Uhr statt«, spricht sie in ihren Apparat. »Da werde ich dann auf alle Fragen bezüglich der Fletcher-Marquet-Geschichte reagieren.« Mme Cuchon legt auf und stützt den Kopf in die Hände.
»Was für ein Jahr«, stöhnt sie, dann fasst sie sich wieder. »Du fällst durch«, sagt sie unverblümt und schaut mich mit ihren klaren grauen Augen an. »Du hast mir versprochen, dass du in der Schule nicht nachlässt und weiter gute Noten schreibst. Aber das hast du nicht getan.«
»Madame Cuchon, es tut mir leid«, entgegne ich. »Ich fühle mich erst seit den Osterferien wieder mehr wie ich selbst. Es ist noch immer Zeit, meine Arbeiten fertig zu machen. Geben Sie mir noch eine Chance ...«
Aber Mme Cuchon fällt mir einfach ins Wort. Sie ist lange nicht mehr so mitfühlend und verständnisvoll wie früher. »Olivia, ich verstehe, dass du viel durchgemacht hast. Aber wir haben ja schon ziemlich viel riskiert, als wir zugestimmt haben, dass du bei der Underground-Kompagnie mittanzen darfst, und du hast uns leider nicht beweisen können, dass du beides auf die Reihe bekommst. Es bleibt nicht genug Zeit, alle Arbeiten nachzuholen, die du bisher versäumt hast.«
»Doch, ich könnte es noch schaffen«, sage ich. »Das weiß ich!«
»Es geht hier nicht nur um dich, Olivia, sondern auch um den Ruf der Schule. Wie ihr Amerikaner so schön sagt, haben wir viel zu verlieren. Wir können es uns einfach nicht leisten, dass gute Schüler so schlechte Leistungen erbringen. Es tut mir sehr leid, aber ich kann dich dieses Schulhalbjahr nicht bestehen lassen. Du wirst die Kurse des Schulhalbjahres noch mal in deinem eigenen Tempo wiederholen müssen. Wenn du mich jetzt entschuldigst, ich muss mich auf eine Pressekonferenz vorbereiten.« Sie wirft einen auffälligen Blick zur Tür.
Verzweifelt stehe ich auf und lege meine Hände auf ihren Eichentisch. »Nein, Madame Cuchon, bitte nicht. Das können Sie mir nicht antun. Meine Eltern werden mich umbringen. Sie wollten von Anfang an nicht, dass ich beim Underground einsteige.«
»Und sie lagen richtig mit ihrer Intuition«, entgegnet sie. »Auf Wiedersehen, Olivia.« Sie erhebt sich und hält mir die Tür auf, damit ich vor ihr aus dem Zimmer gehe.
* * *
Alle Schüler des Lycées haben sich wegen der bevorstehenden Pressekonferenz vor dem Schulgebäude versammelt. Es hat den Anschein, als wäre jeder europäische Fernsehsender zusammen mit CNN World und den ganzen nationalen Nachrichtenagenturen aus den USA hier. Alle brennen darauf, die offizielle Version zu hören, was diese blonde Schönheit aus dem Wald tun musste, um ihrem bösen Gastvater zu entkommen.
»Auf der Seite von Monsieur und Madame Marquet gab es Anschuldigungen, PJ habe sich schlecht benommen«, liest Mme Cuchon von ihren Notizen ab und spricht direkt ins Mikrofon vor der Menschenmenge. Neben ihr steht PJ und
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