Beautiful Americans 03 - Leben á la carte
vergehen fast in der Ecke - so was haben wir einfach noch nie gesehen.
»Pause?«, schlägt André mit einem triumphierenden Lächeln vor, und wir bahnen uns einen Weg zu den Toiletten. Wundersamerweise gibt es dort keine Schlange, vielleicht weil in diesem Klub niemand auch nur für einen kurzen Moment das Tanzen unterbrechen will.
Ich stürme hinein und hänge mich unter den Wasserhahn. Als ich mich wieder aufrichte und mir das Wasser aus dem Gesicht wische, sehe ich im Spiegel, dass André hinter mir steht. Die Tür ist noch immer offen.
André lächelt mein Spiegelbild an. Ich lächle zurück, froh, dass die Musik so laut ist. Ich möchte jetzt nicht reden müssen. André kommt näher, legt mir von hinten die Arme um den Bauch und schließt die Tür. Noch immer Blickkontakt mit mir im Spiegel haltend, legt er seine Lippen sanft auf die Stelle, an der mein Hals in meine Schulter übergeht.
Ich kann mich nicht bewegen, nicht mal atmen. »Ist das okay?«, murmelt André an meiner Schulter.
»M-hm«, mache ich, und ehe ich's mich versehe, habe ich mich schon zu ihm umgedreht und ihm die Hände auf die Schultern gelegt. Dann küsse ich André, aber nicht nur für ein paar Minuten, sondern ganz lange. Bis jemand an die Tür klopft.
»Lass uns hier rausgehen«, sagt André leise. Ich nicke und folge ihm in den Klub zurück. Ich habe das Gefühl, kurz vor einem Herzinfarkt zu stehen.
»Ich werde Olivia ein Taxi organisieren«, verkündet André. »Willst du mit zu mir kommen? Ich wohne gleich um die Ecke.«
Wieder nicke ich. Ich werde alles auf mich zukommen lassen, ermahne ich mich selbst, voller Hoffnung, dass dies mein unkontrollierbar rasendes Herz beruhigt.
* * *
Am Sonntagmorgen erwache ich auf der Seite liegend in meiner Jeans in einem fremden Bett und mit solchen Kopfschmerzen, als hätte jemand mein Gehirn mit einem Rührbesen malträtiert. Irgendjemand - ein Dämon, ein schrecklicher Teufel - scheint aus mir unerklärlichen Gründen laut Akkordeon zu spielen. Als ich kurz ein Auge öffne, sehe ich eine Holztür vor mir, hinter der die Musik herzukommen scheint. Ich versuche, zu erkennen, wo ich bin, aber als ich beide Augen aufmache, bewegen sich die grün gestrichenen Wände unaufhörlich.
»Guter Junge«, sagt jemand hinter mir, als ich meinen Kopf ein paar Zentimeter vom Kissen hebe. Ich erstarre und lege mich sofort wieder ab. Er ist ebenfalls wach!
Ein dunkler glatter Arm gleitet unter meiner Achsel hindurch und streicht mir vorne über die nackte Brust. »Wie viel Erinnerung hast du an die letzte Nacht, Sportsfreund?« Der britische Akzent, dieser berauschende Duft nach einem Gemisch aus Seife und Früchten sowie ein bisschen schwüle Süße ... André.
»Morgen«, brumme ich und versuche, meinen Mund dabei nicht zu weit zu öffnen. Ich habe schreckliche Angst, dass ich den schlimmsten Mundgeruch aller Zeiten habe. In meinem Körper bahnen sich mehrere Liter Tequila ihren Weg. Ich lecke mir über die Lippen und versuche, meinen trockenen Mund zu befeuchten. »Ich meine, guten Morgen.« Mit aller Kraft zwinge ich mich dazu, beide Augen offen zu halten und ihn über meine Schulter hinweg anzusehen.
Der Blickkontakt ist zu viel. Schnell schaue ich wieder weg.
Oh mein Gott! Am liebsten würde ich vor Freude laut jubeln!
Ich liege im Bett ... mit einem Mann!
Was zum Teufel ist gestern Nacht passiert?
Und nicht nur irgendein Mann: ein Mann mit einem eigenem Apartment, so wie es aussieht. Genau in diesem Augenblick dringt altmodische französische Kaffeehausmusik durch die Wohnung, sodass ich zusammenzucke und mich am liebsten unter der Bettdecke verkriechen würde.
»Das ist mein Mitbewohner, der diesen schlimmen Krach macht. Er nennt es Musik.« André lacht. »Verdammt toll, von dieser Musik aufzuwachen, was?«
»Wow«, sage ich. Ich weiß nicht, wie lange ich es noch aushalte, dazuliegen und so zu tun, als würde ich andauernd mit irgendwelchen Typen in deren Betten landen. Und dazu kommt noch dieses unerträgliche Akkordeon. »Also, wegen letzter Nacht...«
»An wie viel erinnerst du dich noch, Süßer?« Lachend wirft mir André mein Hemd zu, das unter einem Haufen anderer Klamotten am Boden gelegen hat.
Ich kneife die Augen zu und kann einige verschwommene und leicht - nein, sehr - beunruhigende Bilder aus dem Gedächtnis heraufbeschwören: ich, wie ich singend eine lange Treppe hinaufgehe.
»Als du reingekommen bist, hast du sofort dein Hemd von dir geschleudert«, erzählt André,
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