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Beautiful Americans 03 - Leben á la carte

Beautiful Americans 03 - Leben á la carte

Titel: Beautiful Americans 03 - Leben á la carte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Silag
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noch immer lachend. Er deutet in die Ecke auf eine große Stange auf Rollen, behängt mit Kleidern, oder vielleicht muss man besser sagen: wilden Kostümen. »Erinnerst du dich noch, wie du meine Fransenweste anprobiert hast? Du hast gesagt, sie würde deiner Meinung nach am besten auf einer nackten Brust aussehen.«
    »Gar nicht wahr!«, sage ich, obwohl die besagte Weste nicht weit vom Bett entfernt liegt und meine Worte Lügen straft.
    »Und dann hast du die Lederjacke anprobiert. Wenn mit der irgendwas passiert wäre, hätte ich dich umgebracht, das ist nämlich meine Lieblingsjacke. Und dann wolltest du den Fliegeroverall anziehen, bist aber aufs Bett geplumpst, während du versucht hast, dir deine Hose auszuziehen. Und seitdem warst du im Land der Träume.«
    »Unmöglich. So würde ich mich nie benehmen. Total kindisch.« Noch während ich das sage, spüre ich ein bisschen Enttäuschung - und Erleichterung. »Außerdem habe ich selbst so eine Weste. Sie hat mal meiner Mom gehört, als sie Miss Tennessee geworden ist und im Talente-Teil des Schönheitswettbewerbs einen Holzschuhtanz der Appalachen vorgeführt hat.« Ich knöpfe den letzten Knopf meines Hemds zu und werfe ihm einen Seitenblick zu.
    »Deine Mutter war eine echte amerikanische Schönheitskönigin?«
    »Ja.«
    Darüber lacht sich André halb kaputt.
    »Deine Geschichte hat aber ein paar Ungereimtheiten. Wie kommt es, dass meine Brille hier so ordentlich liegt?«, frage ich fordernd und kokett zugleich und zeige auf meine zusammengeklappte schwarze Brille auf dem kleinen Tischchen.
    »Die habe ich dir abgenommen, damit du dich nicht aus Versehen nachts beim Schlafen drauflegst und sie zerbrichst.«
    »Ah. Das war aber sehr nett von dir. Merci beaucoup.« Ich stehe auf, klopfe mich ab und setze meine Brille auf. Ich will nicht, dass er denkt, ich könnte auch ohne sie auskommen - selbst wenn ich sie in Wirklichkeit aus medizinischer Sicht eigentlich gar nicht brauche.
    »Geile Nacht, Schluckaufmann«, sagt André und kommt auf mich zugehüpft, um mir zum Abschied ein Küsschen auf die Wange zu geben. Ich warte kurz, ob er mich vielleicht fragt, ob wir uns wiedersehen, aber er gibt nur ein verkatertes Stöhnen von sich und lässt sich wieder ins Bett fallen.
    * * *
    Die gesamte Woche laufe ich wie benommen durch die Flure im Lycée. Am Montagmorgen erzählt mir Olivia, dass sie am Sonntag größtenteils über der Kloschüssel hing und gegenüber Mme Rouille behauptete, dass sie wohl am Abend zuvor schlechten Fisch gegessen hätte.
    »Na, und ihr beide?«, fragt Olivia. »Wie war die restliche Nacht noch so?«
    Ich zwinkere ihr lächelnd zu, werde aber nicht alles preisgeben, was zwischen dem letzten Mal, als ich sie gesehen habe und sie gerade ins Taxi stieg, und jetzt geschehen ist. Ich fühle mich wie ein neuer Mensch.
    Die ganze Woche über schaue ich die anderen Jungs in der Klasse an und überlege, wie es eigentlich kommt, dass ich so anders bin als sie? Mit einem Blick in die Runde frage ich mich, ob es sich für alle so anfühlt, wenn sie das erste Mal abgeschleppt werden? Ganze Unterrichtsstunden verstreichen, ohne dass ich irgendetwas davon mitbekomme. Wenn ich auf der Straße jemanden mit britischem Akzent höre, muss ich unwillkürlich an André denken. Klar, vor einem Monat habe ich mich genauso auf Bobby versteift, aber André ist hier. Und in den zwei Nächten, in denen ich etwas mit André unternommen habe, ist mehr passiert als während meines ganzen Besuchs in Amsterdam!
    André bringt einfach meine lustige Seite zum Vorschein, genau wie bei allen anderen.
    Darüber denke ich auch nach, als ich am Freitagnachmittag mit Olivia zu Mittag esse. Ob André mich vielleicht am Wochenende anruft und mich genau wie letztes Wochenende irgendwohin einlädt? Es ist einer der seltenen regenlosen Tage, aber trotzdem ziemlich kühl. Alle paar Minuten schieben sich Wolken vor die Sonne. Ich denke an Andrés zahllose bewundernswerte Talente. Die Art, wie er Unbehagen und Verlegenheit im Nu verfliegen lassen kann, ist eine wahre Kunst. In seiner Gegenwart kann ich über mich selbst lachen, ihm Sachen aus meiner Kindheit erzählen, die er - als Brite - zum Brüllen findet. Solche Dinge wie das alljährliche Spareribs-Wettessen, das mein Dad in der Kirche bucht, und wie er mich in einem Jahr mal dazu gezwungen hat, eine Schweinchen-Maske zu tragen, als ich in unserer Gemeinde serviert habe. Mir gefällt es, wie wir uns beide von Paris aus über meinen

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