Beautiful Americans 03 - Leben á la carte
Paris. Und was immer danach kommt.«
»Gut«, sagt André mit einem Grinsen. »Was immer danach kommt.« Wir stoßen klirrend mit unseren Gläsern an und geben uns Küsschen auf die Wangen. Als Andrés Lippen meine Wange streifen, kann ich es das ganze Rückgrat hinunter spüren. Das hier wird sogar noch besser als das Konzert in Bercy!
»Amerikaner würden sagen, das ist Krach, oder?«, neckt mich André, während wir zur Tanzfläche gehen. »Ist das die Sprache, in der ihr Yanks heutzutage miteinander redet?«
»Sag ja nicht Yankee zu mir«, protestiere ich und tue ganz empört. »Aber ja, das hier ist Krach. Absolut.« Meine Worte verlieren sich, als wir uns im Zeitraffertempo zu der verrückten Musik über den Boden bewegen, unsere Glieder schütteln und die Musik einfach spüren.
Wenn man so viel tanzt, verliert man leicht seinen Rausch, aber das macht nichts. Denn dafür kommt man ja in einen anderen Rausch.
André und Olivia können mit ihren schlanken, geschmeidigen Körpern nicht aufhören zu tanzen. Ich lasse alle Hemmungen fallen und folge ihrem Beispiel. Ich weiß nicht mehr, was ich tue, aber es fühlt sich irre an, so als wäre ich Teil eines anschwellenden Sees aus Armen und Beinen und sich auf- und abbewegenden Köpfen. Mädchen, die rings um mich herum tanzen, schleudern ihre langen Haare, dass die nur so auf die schweißnassen Rücken der Tanzenden klatschen. Während des Tanzens halte ich mein Getränk in der Hand, dann das nächste und das übernächste, Leute drängeln sich an mir vorbei und verschütten Alkohol über meine Arme und auf meine Jeans, aber das ist mir egal.
Der DJ legt jetzt eine abgefahrene Mischung aus Hip-Hop und Hardrock auf, die Art von Musik, bei der man wirklich nicht mehr stillsitzen kann. Es dauert nicht lange, bis Olivia und André ein paar ihrer Tricks zum Besten geben - Menschen wie sie, die schon so lange tanzen, können die wildesten Sachen machen: hohe Kicks, hipster Roboterbewegungen. Ich lache mich halb schlapp, während ich den beiden zusehe und wiederum ein paar andere Menschen im Klub uns alle drei so ansehen, als wären wir verrückt. Anscheinend benimmt man sich als Pariser so nicht.
André ist ein Wahnsinnstänzer - er kann sich verbiegen, die tollsten Sprünge vollführen und nur so dahinschweben, und das alles zu der rasend schnellen Musik. Der Höhepunkt seiner Darbietung ist, als die Menge beiseiteweicht und er in die Knie geht und dann ganz eng zusammengerollt in der Luft einen doppelten Salto rückwärts vollführt.
Überrascht darüber, dass er so etwas mitten im Klub macht, schüttelt Olivia den Kopf. Ich kann nicht aufhören zu lachen, weil die Franzosen André ansehen, als wäre er auf Speed oder von einem anderen Planeten oder sogar beides. Ein Skandal! Das Beste an seiner Show ist, dass er sich nach fertiger Darbietung über die Schultern streicht und dann ganz normal weitertanzt.
Plötzlich kommt so ein Typ auf ihn zugeschossen und beginnt in seiner unmittelbaren Nähe zu tanzen. Es ist ein Asiate mit einem straffen, stählernen Körper, einem weiten Netzhemd und einer knallengen schwarzen Hose. Er ist ziemlich schnell rübergekommen, fast schon aggressiv und viel zu dicht an André herangegangen. Mit wehenden Haaren im wahrscheinlich schicksten Vokuhila-Stil, der je das Tageslicht erblickt hat, schaut er André mit geblähten Nasenlöchern an, dann vollführt er mit schlangengleicher Präzision akrobatische Übungen. In schneller Folge macht er einen Handstand, einen Kopfstand und wurmähnliche Wellenbewegungen, die man mit eigenen Augen gesehen haben muss, um sie fassen zu können. Als er fertig ist, springt er auf und klopft sich mit beiden Fäusten auf die Brust, um unseren beweglichen, Salto machenden Freund zum Zweikampf herauszufordern.
Was wird das hier - etwa eine Art Tanzbattle?
André blickt mit finsterer Miene in die Runde, als würde er es dem Kerl jetzt echt zeigen wollen. Ein paar Leute in unserer Nähe sehen ängstlich aus, andere begeistert und wieder andere sind zu betrunken, stoned oder high, um das Ganze überhaupt mitzubekommen. Langsam geht André dann auf seinen Gegner zu und genauso nahe an ihn heran, wie dieser vorher an ihn herangekommen ist. Aber gerade als meine Augen schon tellergroß sind und mir beinahe aus dem Kopf fallen, grinst André auf einmal breit, rennt auf den Typen zu und umarmt ihn, als hätten sie beide gerade die World Series gewonnen. Die beiden kugeln sich vor Lachen. Olivia und ich
Weitere Kostenlose Bücher