Beautiful Losers
Wohltätigkeit beginnt beim Einzelnen, hat F. immer gesagt. Viele lange Nächte haben mich gelehrt, dass der Chemielehrer mehr ist als nur ein Gelegenheitsvoyeur. Er ist ein echter Verehrer der Jugend. Die Werbung umgarnt das, was schön ist. Niemand möchte irgendjemandem das Leben zur Hölle machen. Selbst im skrupellosesten Werbefachmann steckt noch ein durstiger, von Liebe zerrissener Kolibri. Es ist nicht in F.s Sinn, dass ich die Männer, die Edith gejagt haben, bis ans Ende der Tage mit meinem Hass verfolge.
– Schluchz. Schluchz. Wimmer. Oh, oh!
In einem Steinbruch holten sie sie ein, oder in einem aufgelassenen Bergwerk, auf jeden Fall war es mineralisch und hart und gehörte einem amerikanischen Konglomerat. Edith war ein wunderschönes, dreizehnjähriges indianisches Waisenkind, das bei einer indianischen Pflegefamilie lebte, weil ihre Eltern in einer Lawine getötet worden waren. Ihre Klassenkameraden beschimpften sie, weil sie ihr nicht glaubten, dass sie Christin war. Sie hat erzählt, dass sie bereits mit dreizehn außergewöhnlich lange, sehr reizende Brustwarzen hatte. Möglich, dass diese Information aus der Umkleide der Schule nach draußen gedrungen war. Vielleicht war dies das Gerücht, das den Hass des ganzen Dorfs geschürt hatte. Vielleicht ließen die Menschen sich nichts anmerken und betrieben weiterhin ihre Geschäfte und ihre Religion, während sie heimlich von dieser Nippel-Information besessen waren. Die Messe, unterwandert von Nippel-Träumereien. Die Streikposten vor der örtlichen Asbestfabrik sind im Arbeitskampf nicht ganz bei der Sache. Auch die Schläge und Tränengasangriffe der Landespolizei wirken etwas abwesend, denn jeder jagt in Gedanken den langen Nippeln hinterher. Das tägliche Leben verkraftet dieses Eindringen der Fantasie nicht. Ediths Nippel sind eine perfekte Perle, die das funktionierende, monotone Protoplasma des Dorflebens stört. Wem gelingt es schon, den feinen Mechanismen des kollektiven Willens nachzuspüren, zu dem wir alle beitragen? Ich glaube, es waren die Dorfleute, die diesen vier Männern aufgetragen haben, Edith im Wald zu stellen. Schnappt sie euch, befahl der kollektive Wille, reißt uns diese magischen Nippel aus den Köpfen!
– Hilf mir, Mutter Maria!
Sie brachten sie zur Strecke. Sie rissen ihr das himbeergemusterte Kleid aus Mehlsäcken vom Leib. Ein Nachmittag im Sommer. Bremsen fielen sie an. Die Männer waren vom Bier betrunken. Sie beschimpften sie als sauvagesse und lachten sie aus. Haha! Sie zogen ihr die Unterhose herunter, die sich an ihren langen braunen Beinen aufrollte, sie bemerkten nicht, dass das Höschen wie eine pinkfarbene Brezel aussah, als sie es fortschleuderten. Aber sie staunten, dass es sauber war. War die Wäsche der Heiden nicht schmutzig und ausgeleiert? Von der Polizei hatten sie nichts zu befürchten, sie spürten wohl, dass die auf ihrer Seite war, ein Schwager war Polizist, der hatte schließlich Hoden wie jeder andere auch. Sie zerrten sie in den Schatten, die Männer wollten jeweils wenigstens andeutungsweise allein mit ihr sein. Sie drehten sie um, um zu sehen, ob ihr Hintern vom Schleppen aufgekratzt war. Bremsen machten sich über ihren bezaubernd runden Hintern her. Wieder drehten sie sie um, zerrten sie noch tiefer in den Schatten, jetzt waren sie so weit, ihr den BH herunterzureißen. Es war so undurchdringlich dunkel in diesem Winkel des Steinbruchs, dass sie kaum etwas erkennen konnten, ganz, wie sie es sich vorgestellt hatten. Edith pinkelte vor Angst, das Plätschern war lauter als das Gelächter, das Stöhnen der Männer. Das Geräusch hörte nicht auf, es blieb gleichmäßig laut, es war lauter als ihre Gedanken, lauter als die Grillen, die gerade eine Elegie auf das Ende des Nachmittags herausschmetterten. Der Urin stürzte auf Laub und Nadeln des vergangenen Jahres, in den acht Ohren der Männer wuchs es an zu einem monolithischen Tumult. Es war der reine Ton der undurchdringlichen Natur, es fraß sich wie Säure in ihren Plan. Das Geräusch war derart majestätisch und schlicht, es war ein solch heiliges Symbol der Verletzlichkeit, dass es durch nichts geschändet werden konnte. Sie erstarrten. Plötzlich war jeder mit seinen Gefühlen allein. Ihre Erektionen sackten zusammen wie ein Akkordeon, das Blut floss aufwärts, schoss auf wie ein Sprössling aus der Wurzel. Doch die Männer weigerten sich, das Wunder (wie F. es genannt hat) anzunehmen, sie verstanden, dass Edith keine Fremde mehr war,
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