Beautiful Losers
Schlopfplitsch: der Klang der Samengeiser, die das Armaturenbrett trafen (und auch der Klang von stromaufwärts schwimmenden Lachsen, die mit den Köpfen gegen Unterwasserfelsen klatschen).
Was mich betrifft, war klar, dass die nächste Bewegung die Erlösung bringen würde – wie ein Fallschirmspringer, der sich, bereit zum Absprung, im pfeifenden Ausstieg festhält, hielt ich mich einen Augenblick lang am Rand des Orgasmus – und war plötzlich verwirrt – und ohne jedes Verlangen – und (einen Sekundenbruchteil lang) wacher, als ich je im Leben gewesen war –
– Die Wand!
Die Wand füllte die gesamte Windschutzscheibe aus, erst verschwommen, dann ganz scharf, als hätte ein Experte das Mikroskop eingestellt, – jeder Pickel auf dem Asphalt in 3-D – grell! präzise! – Lederhaut des Monds im Schnellvorlauf – dann wieder nur Verschwommenes, die Mauer krachte in das Glas der Scheinwerfer – ein Bild von F.s Manschetten, die über das Lenkrad glitten wie Surfbretter –
– Liebster! Ehhhhfff…
– Raaaaatttsch, machte die Wand.
Wir durchbrachen die Wand, denn die Wand war aus bemalter Seide, eine Stoffkulisse. Der Wagen holperte über einen brachliegenden Acker, Stofffetzen flatterten am verchromten Mercedesstern. Das Licht der Scheinwerfer, die keinen Schaden genommen hatten, ergoss sich über einen vernagelten Hot-Dog-Stand, F. stieg auf die Bremse. Mein Blick blieb an einer leeren Flasche mit perforiertem Deckel hängen, die auf der hölzernen Theke stand.
– Bist du gekommen?, fragte F.
Mein Schwanz hing aus der Hose wie ein loser Faden.
– Schade, sagte F.
Ich begann zu zittern.
– Ich habe riesig abgespritzt, du hast was verpasst.
Ich hing vorgebeugt auf dem Armaturenbrett, meine Stirn ruhte auf geballten Fäusten, und rang mit den Tränen.
– War gar nicht so einfach, das Ding aufzuziehen, wir haben ja auch den Parkplatz gemietet und so.
Mein Kopf schnellte herum, ich sah ihn an.
– Wir? Was heißt denn hier »wir«?
– Edith und ich.
– Edith steckt da mit drin?
– Wie war es denn, diese Sekunde, bevor du abspritzen wolltest? Hast du diese Leere gespürt? Hast du gemerkt, dass du frei warst?
– Edith weiß also von unseren dreckigen Spielchen?
– Du hättest weitermachen sollen, mein Freund. Du bist ja nicht gefahren. Du hattest keine Möglichkeit, einzugreifen. Die Wand war schon auf dir drauf. Du hättest abspritzen sollen, du hast echt eine Chance verpasst.
– Weiß Edith, dass wir Schwuchteln sind?
Ich packte seine Kehle, erfüllt von Mordlust, F. lächelte. Wie dürr, wie stacksig meine Arme im schwachen Schein des Kartenlichts wirkten. F. löste meine Finger wie eine Halskette.
– Nicht doch, nicht doch. Lass das mit den Tränen.
– F., warum quälst du mich nur so?
– Wie einsam du bist, mein lieber Freund. Es wird von Tag zu Tag schlimmer. Was wird nur sein, wenn wir fort sind?
– Das geht dich einen Dreck an! Was fällt dir ein, mich zu belehren? Du spielst uns allen etwas vor, wer bist du eigentlich? Eine Gefahr bist du, eine Schande für Kanada! Du hast mein Leben zerstört!
– Kann sein, dass das alles stimmt.
– Du dreckiges Schwein! Wie kannst du es wagen, es auch noch zuzugeben?
Er beugte sich vor und startete den Wagen. Dann schaute er auf meinen Schoß.
– Mach die Hose zu. Der Weg ins Parlament ist lang und kalt.
40.
Ich schreibe nun schon seit einiger Zeit an diesen wahren Begebenheiten, aber bin ich Kateri Tekakwitha dadurch nähergekommen? Der Himmel befremdet mich. Ich bezweifle sehr, dass ich jemals bei den Sternen weilen werde. Ich bezweifle, dass ich jemals eine Girlande tragen werde. Ich glaube nicht, dass mir dereinst Geister erotische Nachrichten ins warme Haar flüstern werden. Ich werde nie lernen, meine braune Butterbrottüte im Bus in einer Weise zu halten, die man als elegant bezeichnen könnte. Ich werde zu Beerdigungen gehen, die keine Erinnerungen in mir auslösen. Es ist viele Jahre her, dass F. sagte: Von Tag zu Tag wirst du einsamer. Jahre ist das her. Was hat sich F. dabei gedacht, als er mir zuriet, in den Schoß einer Heiligen abzutauchen? Was bedeutet es eigentlich, heilig zu sein? Ein Heiliger ist jemand, der etwas erreicht hat, was kaum je ein Mensch erreichen kann. Was genau das ist, kann niemand sagen. Ich glaube, dass es etwas mit der Kraft der Liebe zu tun hat. Wer sich mit dieser Kraft verbindet, erlangt eine Art Gleichgewicht im Chaos der Existenz. Ein Heiliger entwirrt das Chaos nicht. Wenn es
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