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Beautiful Losers

Beautiful Losers

Titel: Beautiful Losers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonard Cohen
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egal ist. Meine Tanten treten mich mit Füßen, ich mache ihnen aber keine Vorwürfe. Ich trage die Scheiße raus, na ja, einer muss es ja tun. Aber, Vater, jetzt wollen sie auch noch, dass ich ficke – obwohl ich das Recht darauf längst fortgegeben habe.
    – Du kannst nicht zurückfordern, was du einmal verschenkt hast.
    – Was soll ich nur tun, Vater?
    – Lass mich mal deinen Zeh ansehen.
    – Ja!
    – Dazu muss ich deine Mokassins ausziehen.
    – Ja!
    – Hier?
    – Ja!
    – Und hier?
    – Ja!
    – Deine Zehen sind kalt, Catherine. Ich werde sie ein wenig massieren.
    – Ja!
    – Und jetzt hauche ich sie an, du weißt schon, wie man im Winter in die eigenen Hände haucht.
    – Ja!
    Schwer atmend beugte sich der Priester über ihre winzigen braunen Zehen. Wie klein und hübsch das Kissen unter ihrem dicken Zeh war. Von unten sahen die Zehen aus wie fünf kleine Kinder, die ihre Bettdecke bis zum Kinn gezogen haben. Er gab ihnen Gute-Nacht-Küsschen, einem nach dem anderen.
    – Kitzel bitzel kitzel bitzel.
    – Genau!
    Er kniete wie Jesus, der vor einem nackten Fuß gekniet hatte, und knabberte an einem Kissen, es hatte die Konsistenz von Weingummi. Dann leckte er der Reihe nach die Zwischenräume der unfassbar zarten Zehen aus – sie waren weiß! Vier Mal stieß er mit der Zunge zu. Jedem einzelnen Zeh wandte er sich mit ganzer Aufmerksamkeit zu, er nahm ihn in den Mund, bedeckte ihn mit Speichel, blies, um den Speichel zu trocknen, biss spielerisch hinein. Eine Schande, dass die vier Zehen so vereinzelt sind, dachte er und zwängte sie alle auf einmal in seinen Mund. Seine Zunge schlug hin und her wie ein Scheibenwischer. Franziskus hatte das Glei che für die Leprakranken getan.
    – Vater!
    – Libalobaglobawoganammienammie.
    – Vater!
    – Glupgluplutschschluck. Schlürf.
    – Taufen Sie mich!
    – Manch einer findet unsere Zurückhaltung übertrieben, aber Tatsache ist, dass wir als Jesuiten die erwachsenen Indianer nicht zur Taufen drängen.
    – Ich habe zwei Füße.
    – Indianer sind nicht einfach. Es wäre eine Katastrophe, wenn wir mehr Abtrünnige produzieren würden als Christen, dem müssen wir vorbeugen.
    – Wackel.
    – Comme nous nous défions de l’inconstance des Iroquois, j ’ en ai peu baptisé hors du danger de mort.
    Das Mädchen schlüpfte in ihre Mokassins und setzte sich auf ihren Fuß.
    – Sie müssen mich taufen.
    – Il n’y a pas grand nombre d’adultes, parce qu’on ne les baptise qu’avec beaucoup de précautions.
    Der Streit zog sich im Schatten des Langhauses noch eine Weile hin. Eine Meile entfernt sank der Onkel vor Erschöpfung auf die Knie. Es würde keine Ernte geben. Doch er dachte nicht an den Mais, den er eben ausgesät hatte, sondern an das Überleben seines Volkes. So viele Jahre, die Jagden, die Kriege – alles umsonst. Es würde keine Ernte geben. Selbst die gereifte Seele würde den Weg in den warmen Südwesten nicht finden, von wo der Wind herüberweht, der sonnige Tage bringt und berstend prallen Mais. Die Welt war unvollendet! Ein tiefer Schmerz erfasste seine Brust. Der große Ringkampf zwischen Ioskeha, dem Weißen, und Tawiscara, dem Finsteren, der ewige Kampf würde langsam ermatten wie zwei Liebende, die in fester Umarmung in den Schlaf sinken. Es würde keine Ernte geben! Tag für Tag wurde das Dorf kleiner, immer mehr Stammesbrüder brachen auf und zogen in die neuen Missionen. Er kramte nach einem kleinen Wolf, den er geschnitzt hatte. Im vergangenen Herbst noch hatte er die hölzernen Nasenlöcher an die eigenen gehalten, er hatte tief eingeatmet und sich den Mut des Tiers einverleibt. Dann hatte er die Luft scharf ausgestoßen, um seinen Atem im umliegenden Wald zu verbreiten und das Wild zu lähmen, das sich in der Nähe aufhielt. Als er an jenem Tag seinen Hirsch erlegt hatte, schnitt er die Leber heraus und schmierte Blut um den Mund des geschnitzten Wolfs. Und er betete: Großer Hirsch, Erster und Vollkommener Hirsch, Ahnherr der Beute zu meinen Füßen, wir sind hungrig. Bitte übe Rache an mir, weil ich eins deiner Kinder getötet habe. Der Onkel brach auf dem Maisfeld zusammen, er rang um Atem. Der Große Hirsch tanzte auf seiner Brust, er brach ihm die Rippen. Sie trugen den Onkel in die Hütte. Seine Nichte weinte, als sie sein Gesicht sah. Als sie nach einer Zeit endlich allein waren, sagte der alte Mann:
    – Ist er hier gewesen, der Schwarzrock?
    – Ja, Vater Tekakwitha.
    – Und du möchtest die Taufe empfangen?
    – Ja,

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