Beautiful Losers
schwanden ihr vor so viel Pracht die Sinne. Hübsche Diener gossen Wein in Gläser, die langstieligen Rosen glichen. Das Licht von hundert Kerzen flackerte, und hundert Stück silbernes Besteck warfen es zurück, während sich die duftenden Gäste über ihre Bratenscheiben hermachten, und eine kurze Sekunde lang stachen ihr die aus allen Richtungen aufblitzenden Sonnen schmerzhaft in den Augen und verbrannten ihren Appetit. Ein scharfes, unwillkürliches Zucken – sie hatte ihr Glas umgestoßen. Lange starrte sie auf den Fleck, der den Umriss eines Wals hatte, und schämte sich bitterlich.
– Das macht doch nichts, sagte der Marquis. Mein Kind, das macht gar nichts. Catherine Tekakwitha saß da und rührte sich nicht. Der Marquis wandte sich wieder dem Gespräch zu. Es ging um eine neue Erfindung, eine Waffe, die in Frankreich entwickelt worden war: das Bajonett. Der Fleck breitete sich schnell aus.
– Der Wein ist gut, selbst die Tischdecke hat Durst, scherzte der Marquis. Seien Sie nicht so ängstlich, mein Kind. Für ein umgestoßenes Glas Wein wird man nicht bestraft.
Trotz der nonchalanten Bemühungen des Personals wuchs der durch den Fleck verfärbte Bereich der Tischdecke immer weiter an. Die Gäste wurden auf die bemerkenswerte Expansion aufmerksam und hielten in ihren Gesprächen inne. Die Unterhaltung erstarb vollständig, als sich das Silber einer Vase dunkelrot verfärbte und das zarte Rosa der in ihr steckenden Blume demselben Einfluss erlag. Eine schöne Dame stieß einen kurzen Schrei aus, als sie bemerkte, wie ihre feingliedrige Hand die dunkelrote Farbe annahm. Innerhalb nur weniger Minuten vollzog sich eine alles umfassende chromatische Verwandlung. Schwüre und Jammerschreie durchhallten den tiefroten Saal, während Gesichter, Kleidung, Wandbehang und Mobiliar in einem Zug dieselbe Farbe annahmen. In der Hoffnung, außerhalb des kontaminierten Saals irgendeine Bestätigung zu finden, dass das Universum farbig ist, wandte die gesamte Gesellschaft, Herren und Diener, den Blick auf die hohen Fenster, hinter denen Inseln aus Schnee im Mondlicht glitzerten. Vor ihren Augen wurden auch diese Verwehungen von Frühjahrsschnee in dunkles Weinrot getaucht, selbst der Mond schien sich vollzusaugen mit kaiserlichem Purpur. Langsam stand Catherine von ihrem Stuhl auf.
– Ich glaube, ich muss mich bei Ihnen allen entschuldigen.
43.
Das vorangegangene Kapitel wirkt apokalyptisch auf mich. Der Ursprung des Wortes apokalyptisch ist interessant. Es kommt vom griechischen apokalypsis , was Offenbarung bedeutet. Es handelt sich um eine Ableitung vom griechischen apokalyptein , was aufdecken oder entdecken bedeutet. Das griechische Präfix apo - bedeutet von, entstanden aus. Das Verb kalyptein bedeutet bedecken und ist verwandt mit dem Wort kalybe , also Hütte, sowie mit kalymma , Schleier einer Frau. Also beschreibt apokalyptisch das, was aufgedeckt wird, wenn der Schleier der Frau gelüftet wird. Was habe ich nur getan, was habe ich nur getan, als ich deinen Schleier gelüftet habe und unter deine Decke geschlüpft bin, Kateri Tekak witha? In keiner der Standardbiografien findet sich eine Erwäh nung des Festmahls. Die Hauptquellen über ihr Leben sind die Schriften der Jesuitenpatres Pierre Cholenec und Claude Chauchetière. Beide haben ihr in der Mission Sault Saint-Louis, die Catherine Tekakwitha im Herbst 1677 erreichte (womit sie das Versprechen brach, das sie ihrem Onkel gegeben hatte), die Beichte abgenommen. Von P. Cholenec gibt es Vie de Catherine Tegakouita, Première Vierge Irokoise , das als Manuskript vorliegt. Ein weiteres, auf Latein verfasstes Vie wurde P. Général de la Compagnie de Jésus 1715 zugeschrieben. Von P. Chauchetière ist La Vie de la B. Catherine Tekakouita, dite à présent la Saincte Sauvegesse aus dem Jahr 1695erhalten. Das Manuskript befindet sich derzeit in den Archiven des Collège Sainte-Marie. Dort lagert ein weiteres, wichtiges Manuskript, das Remy (Abbé, P. S. S.) verfasst hat, es trägt den Titel Certificat de M. Remy, curé de la Cine, des miracles faits en sa paroisse par l ’ intercession de la B. Cath. Tekakwita , aus dem Jahr 1696. Ich bin ein großer Freund der Jesuiten, weil sie Wunder gesehen haben. Ich verneige mich vor dem Jesuiten, der so vieles dazu beigetragen hat, das Land hinter jener Grenze zu erobern, die das Natürliche vom Übernatürlichen trennt. In unterschiedlichsten Verkleidungen – mal als ranghoher Minister, mal als christlicher
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