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Beautiful Losers

Beautiful Losers

Titel: Beautiful Losers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonard Cohen
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Priester, als Soldat, Brahmane, Astrologe, als königlicher Beichtvater, als Mathematiker, als Mandarin – rangen sie den Menschen durch tausend Tricks, durch Überzeugung, Drängen und Locken und unter der Beweislast bezeugter Wunder die Anerkennung ab, dass die Erde eine Provinz der Ewigkeit ist. Ich verneige mich vor Ignatius von Loyola, der bei der Erstürmung von Pamplona von einer französisch-protestantischen Kugel niedergestreckt wurde, denn in der Höhle von Manresa, wo er sein Krankenlager hatte, erschaute dieser stolze Soldat die himmlischen Mysterien, es waren diese Visionen, die zur Gründung der mächtigen Gesellschaft Jesu führten. Diese Gesellschaft hat den Gedanken, dass das Marmorantlitz Cäsars eine Maske Gottes ist, zu einer kühnen Behauptung gemacht, und im imperialen Drang nach weltlicher Macht hat der Jesuit verstanden, dass Gott nach Seelen dürstet. Ich verneige mich vor den Lehrern in einem innerstädtischen Waisenhaus von Montréal, die nach Samen und Weihrauch rochen. Ich verneige mich vor den Priestern, deren Zimmer voller Krücken stehen, sie haben eine Illusion zerstört, sie haben verstanden, dass Lahmheit ein Aspekt der Vollkommenheit ist, wie Unkraut nichts anderes ist als die Blumen, die niemand pflückt. Ich verneige mich vor den mit Krücken behangenen Mauern, ein Museum des Unkrauts. Ich verneige mich vor dem alchemistischen Gestank von brennendem Wachs, der intime Nähe zu leichenfressenden Dämonen verrät. Ich verneige mich vor den Ku ppelsälen, wo wir auf Knien dem Weltankläger entgegensahen, von Angesicht zu Angesicht, sein Heiligenschein bestand aus Scheiße. Ich verneige mich vor jenen, die mich auf diese eiskalte Nachtwache vorbereitet haben, ich bin die einzige leibhaftige Sardine in einer Dose voller Gespenster. Ich verneige mich vor den Folterern damals, die keinen Zweifel an der Seelenhaftigkeit ihrer Opfer hatten und die, nicht anders als die Indianer, zuließen, dass die Kraft der Gemeinschaft von der Macht des Feindes genährt wird. Ich verneige mich vor all jenen, die an den Großen Gegenspieler glaubten und in der Folge als Krieger und Männer gediehen. Ich verneige mich vor unseren alten Schulpulten, dieser mutigen Armada, die Jahr für Jahr mit frischer Mannschaft aufbrach, um die Sintflut zu besiegen. Ich verneige mich vor unseren abgegriffenen Büchern, die aus Gemeindemitteln stammten, besonders vor dem Katechismus, der die Obszönität ganz beiläufig heraufbeschwor und dazu beitrug, dass der Waschraum ein erregender Tempel des Profanen blieb. Ich verneige mich vor den großen, marmornen Trennwänden in der Toilette, an denen sich verschmierte Scheiße niemals lange hielt. Hier war der Beweis, dass Luther sich geirrt hatte, als er behauptete, Gott allein könne die Materie von Schmutz befreien. Ich verneige mich vor den Marmorsälen des Exkrements, der Maginot-Linie gegen die Invasion päpstlicher Fehlbarkeit. Ich verneige mich vor den Gleichnissen aus den Waschräumen der Waisen, wo das gelbe Versäumnis auf dem Porzellan bewies, dass ein einziger Wassertropfen stärker ist als die gesamte Eiszeit. Dass sich nur irgendwo irgendein Mensch uns, der abgehärteten Waisenkinder, erinnert, die wir in einer Reihe anstanden, um unsere Fingerwarzen zu waschen: sechzig Hände, denen die Inspektion bevorstand, und ein einziges Stück Seife. Ich verneige mich vor dem mutigen Jungen, meinem Freund F., der sich die Warzen abbiss. Ich verneige mich vor dem einen, der es nicht über sich brachte, die Zähne ins eigene Fleisch zu senken, vor mir selbst, der ich dieser Feigling war, der Verfasser dieser Geschichte, in dessen Körper noch heute, hoch über der durchwehten kanadischen Landschaft, die Angst sitzt, obwohl seine Fingerwarze von tausend rauen Bleistiftstummeln längst abgetragen worden ist. Mir ist eiskalt. Ist es erlaubt, die eigenen Hände ans Feuer seiner Huldigung zu halten? Ich habe alle beleidigt, ihr Bann war unausweichlich.
    – F., hör auf, an deiner Warze rumzukauen.
    – Ich kaue, und wenn die ganze Welt zuschaut. Solltest du auch mal machen.
    – Ich warte, bis sich meine zurückbildet.
    – Was?
    – Bis sie sich zurückbildet.
    – Zurückbildet?
    F. schlug sich an die Stirn und rannte von Kloabteil zu Kloabteil wie ein Mann, der ein ganzes Dorf zu wecken hat, er riss die Türen auf und richtete das Wort an die hockenden Verdauungsmechanismen.
    – Kommt raus, kommt raus!, rief F. Er wartet darauf, dass sie sich zurückbildet! Kommt raus und

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