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Beautiful Losers

Beautiful Losers

Titel: Beautiful Losers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonard Cohen
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doch so wäre, sähe die Welt längst anders aus. Ich glaube, dass ein Heiliger nicht einmal das eigene Chaos entwirrt, denn es liegt etwas Arrogantes und Kriegerisches in der Vorstellung, dass ein einziger Mensch Ordnung ins Universum bringt. Das Gleichgewicht, das er erlangt hat, ist sein Heiligenschein. Er fliegt über die Schneewehen wie ein Ski, der sich gelöst hat. Sein Lauf streichelt den Hang, seine Spur ist eine Zeichnung, ein Schneebild im augenblicklichen Zusammenspiel von Wind und Fels. Er trägt etwas in sich, das die Welt so sehr liebt, dass er sich ganz der Schwerkraft und dem Zufall anvertraut. Mit dem Gleitflug der Engel hat das nichts zu tun. Zuverlässig wie eine Seismographennadel tastet er die Landschaft ab, er hat festen, blutdurchtränkten Boden unter den Füßen. Sein Haus ist gefährlich, und es ist endlich, doch eigentlich lebt er in der ganzen Welt. Er kann die Formen menschlicher Körper lieben und die feinen, verschlungenen Formen des Herzens. Es ist gut, dass die Heiligen unter uns weilen, diese Liebesungeheuer mit ihrem Gleichmut. Dabei fällt mir auf, dass die Nummern in der Tüte tatsächlich den Nummern der Lose entsprechen, die wir heute so teuer erkauft haben, der Preis ist also keine Illusion. Aber eine Heilige ficken? Ich erinnere mich, wie ich einmal Ediths Schenkel geschleckt habe. Ich saugte und küsste das lange braune Ding, und ich dachte nur Schenkel, Schenkel, Schenkel, ihre Schenkel entspannten und öffneten sich, ich folgte dem Duft von Frühstücksspeck und erreichte ihren Hügel – die Schenkel zuckten scharf, als ich dem Strich ihres Haarflaums folgte und mit der Kniescheibe zusammenstieß. Ich weiß nicht, was Edith getan hatte (vielleicht hatte sie gespritzt, sie neigte zu grandiosen, glitschigen Ausbrüchen) oder was ich getan hatte (vielleicht war mein eigener, unberechenbarer Speichelfluss im Spiel), auf jeden Fall war mein Gesicht plötzlich klatschnass, mein Mund schlitterte nur so über ihre Haut. Das waren nun nicht mehr die offenen Schenkel, es war auch nicht die Fotze oder sonst eine Tafelkritzelei (und gefickt habe ich sie auch nicht): Es war nur noch der Umriss von Edith: Dann war es nur noch ein irgendwie menschlicher Umriss: Dann war es einfach nur noch Umriss – und eine gesegnete Sekunde lang war ich nicht allein, nein, ich war Teil einer Familie. Es war das erste Mal, dass wir uns wirklich geliebt haben. Es ist so nie wieder vorgekommen. Ist es das, was du in mir auslösen wirst, Catherine Tekakwitha? Aber bist du nicht längst tot? Wie soll es mir gelingen, mich an eine tote Heilige heranzumachen? Es kommt mir alles so unsinnig vor. Ich bin hier in F.s altem Baumhaus gar nicht glücklich. Der Sommer ist längst vorbei. Mein Gehirn ist zerstört. Ich bin beruflich am Ende. Steckst du dahinter, F.? Ist es eine deiner Prüfungen?

41.
    Catherine Tekakwitha wurde am achtzehnten April (dem Monat des Leuchtenden Laubs) des Jahres 1676 getauft.
    Bitte, Edith, kehr zurück zu mir. Küss mich, mein Liebling. Edith, ich liebe dich. Kehr noch einmal ins Leben zurück. Ich halte diese Einsamkeit nicht mehr aus. Ich glaube, ich bin runzlig geworden und rieche aus dem Mund. Edith!

42.
    Wenige Tage nach ihrer Taufe wurde Catherine Tekakwitha zu einem großen Festmahl nach Québec eingeladen. Anwesend waren der Marquis de Tracy, der Intendant Talon, der Gouverneur Monsieur de Courcelle, Kryn, Häuptling der Mohawk und einer der glühendsten Konvertiten, über die die Christenheit je verfügte, und viele weitere gut aussehende Damen und Herren. Aus ihren Haaren stieg der Duft von Parfüm empor. Ihre Eleganz war von einer Art, die ein Städter nur erreichen kann, wenn er sich zweitausend Meilen von Paris entfernt aufhält. Die Gespräche sprühten vor Geist und Witz. Wer Butter weiterreichte, lieferte mindestens einen Aphorismus dazu. Man diskutierte die Aktivitäten der erst zehn Jahre alten französischen Akademie der Wissenschaften. Einige der Gäste trugen Taschenuhren mit Federantrieb, eine neue Art der Zeitmessung, die gerade Europa eroberte. Einer der Gäste erklärte eine weitere Neuerung, die der Regulierung von Uhren diente: das Pendel. Catherine Tekakwitha schwieg und hörte aufmerksam zu. Mit einer Verbeugung nahm sie die Komplimente entgegen, die der Federschmuck an ihrem Wildlederkleid hervorrief. Silber und Kristall und erste Frühlingsblumen, stolz präsentiert, glänzten auf dem langen, weiß gedeckten Tisch, einen winzigen Augenblick lang

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