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Beck Wissen - Antimaterie - Auf der Suche nach der Gegenwelt

Beck Wissen - Antimaterie - Auf der Suche nach der Gegenwelt

Titel: Beck Wissen - Antimaterie - Auf der Suche nach der Gegenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter B. Hermann
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Frage für das Verständnis der Mikroweit, daß man sich in den USA entschloß, eigens zu diesem Zweck ei- nen Beschleuniger zu bauen. Die Idee bestand darin, eine Kollision zwischen Protonen in Ruhe und hochbeschleunigten Protonen von 6 GeV herbeizuführen. Dann wird gerade die benötigte Energie von 2 GeV frei, die zur Paarerzeugung er- forderlich ist. Als es zum ersten Mal gelang, im Lawrence Radiation Laboratory in Kalifornien mit Hilfe des sogenann- ten Bevatrons Antiprotonen nachzuweisen, schrieb man aller- dings bereits das Jahr 1955! Nun endlich war kein Zweifel an der Diracschen Theorie mehr möglich, auch nicht daran, daß die anderen Fermionen ebenfalls Antiteilchen haben müssen.
    Wenn nun aber alle Fermionen Antiteilchen haben sollen, dann gilt dies ja auch für elektrisch neutrale Teilchen wie z.B.
    das Neutron oder das Neutrino. Was soll man sich aber unter einem Antineutron vorstellen, dem doch die Ladung für eine Spiegelung fehlt? Erinnern wir uns daran, daß die Teilchen nicht nur durch elektrische Ladungen gekennzeichnet sind; vielmehr kommen auch andere ladungsartige Eigenschaften wie beispielsweise die Farbladungen im Zusammenhang mit den Kernkräften vor. Antiteilchen haben nun stets gegenüber den Teilchen das umgekehrte Vorzeichen ihrer ladungsartigen Größen. Diese Eigenschaft führt zu der bereits erwähnten vollständigen Umwandlung in Energie beim Zusammentreffen von Teilchen und Antiteilchen: Während die ladungsartigen Größen sich aufgrund ihrer entgegengesetzten Vorzeichen neutralisieren, gehen die Massen in die ihnen entsprechende Energie über.
    Drei Jahre nach dem Antiproton wurde das Antineutron entdeckt - wieder in hochenergetischen Stoßvorgängen. Eine Ablenkung im Magnetfeld zum Beweis der umgekehrten La- dung - wie beim Antiproton -kam hier allerdings nicht in Frage. Doch man konnte die Zerstrahlung dieser Antineutro- nen beim Zusammentreffen mit Neutronen beobachten und hatte damit die Sicherheit, daß es sich tatsächlich um die Ge- genstücke der Neutronen handelte.
     
     
Eine Sensation der Physik: das Antiwasserstoffatom
     
    Das Wasserstoffatom besteht bekanntlich aus einem Proton im Kern und einem Elektron in der Hülle. Doch daneben gibt es noch die Wasserstoffisotope Deuterium (schwerer Wasser- stoff) und Tritium (überschwerer Wasserstoff). Der Deuteri- umkern besteht aus einem Proton und einem Neutron, der Tritiumkern gar aus zwei Neutronen nebst Proton.
    Für die Physiker war klar, daß man aus einem Antiproton und einem Positron unter geeigneten Bedingungen ein Antiwasserstoffatom herstellen könnte und ebenso die entsprechenden Isotope des Antiwasserstoffs. Die Experimente gaben ihnen bald recht: 1965 gelang es erstmals im Protonensynchroton von CERN in Genf, den Kern des schweren Anti-Wasserstoffs nachzuweisen - knapp 6 Jahre nach der Inbe-triebnahme dieser großen Maschine. Die nächsten Erfolge konnten die Russen für sich verbu- chen: Am „Institut für Hochenergiephysik“ unweit Serpuchov - etwa 120 km südlich von Moskau - war 1967 der damals größte Beschleuniger der Welt in Betrieb genommen worden ein 70 GeV Protonensynchroton. Mit dieser Maschine konnten dreimal höhere Energien erzeugt werden als mit den Spitzeninstrumenten in Europa und den USA. Damit bestand die Chance, noch schwerere Teilchen der Antimaterie zu synthetisieren. In der Tat wurden in Serpuchov bereits 1971 Antitritiumkerne und 1974 sogar die Kerne des Antiheliums (mit zwei Antiprotonen und zwei Antineutronen) hergestellt und nachgewiesen.
    Jetzt gab es keinen Zweifel mehr: Eine Antiwelt war offensichtlich keine Illusion, sondern eine ganz reale Denkmöglich- keit. Hinter dieser Erkenntnis türmten sich allerdings vielerlei Fragen auf: War es angesichts der enormen erforderlichen Energien überhaupt möglich, die Herstellung von Antimaterie jemals in Angriff zu nehmen? Könnte Antimaterie vielleicht eines Tages auch praktische Bedeutung gewinnen, etwa für Technologien der Energiefreisetzung? Wenn Antiweiten denk- bar sind, müssen sie dann in der Natur auch zwangsläufig existieren?
    Wissenschaftliche Erkenntnisse erobern nur selten die Titel- seiten der Tageszeitungen. Wenn nicht gerade Menschen auf dem Mond spazieren oder mit einem künstlichen Herzen in der Brust eine neue Marathonbestzeit erreichen, sind wissen- schaftliche Errungenschaften in die einschlägigen Rubriken verbannt. Am 15. Januar 1996 aber war es anders: Auf der Titelseite des SPIEGEL war in fetten Lettern

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