Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen!
sich auch im Handumdrehen mit Paaren jeden Alters.
Auch Becky folgte den mitreißenden Klängen der Polkas und Walzer, mit denen die Musiker zum Tanz einluden. Sie trat jedoch nicht in den weichen Schein der bunten Lampions, die überall von den äußeren Querstreben hingen und das Zelt mit einem farbigen Lichterkranz umgaben, sondern blieb einige Schritte zurück und sah mit einer Mischung aus Belustigung und einem merkwürdig neidvollen Verlangen den Tanzenden zu. Nur ganz wenige verstanden sich darauf, eine Polka oder einen Walzer richtig zu tanzen. Die meisten bewegten sich so, wie es ihnen gerade einfiel.
Beckys Blick folgte immer wieder einem jungen Paar, das noch weniger im Takt der Musik zu bleiben vermochte als die meisten anderen um sie herum. Aber das schien ihre Freude nicht im Mindesten zu beeinträchtigen, wie ihre fröhlich erhitzten Gesichter verrieten. Ausgelassen und sich nicht einen Moment aus den Augen lassend, wirbelten sie über den Bretterboden.
»Zuschauen ist bestimmt nicht halb so schön wie selber tanzen«, sagte plötzlich eine vertraute Stimme schräg hinter ihr mit scherzhaftem Tonfall. »Also was halten Sie davon, mir die Ehre Ihres nächsten Tanzes zu geben, schöne junge Miss? Oder muss man sich vielleicht bei Ihnen in eine Tanzkarte eintragen, um eine Chance zu bekommen?«
Becky fuhr herum. »Harvey!«, stieß sie mit strahlendem Lächeln hervor. »Du hast es also doch noch geschafft!«
»Freust du dich?« Er trug seinen einzigen Anzug, mit dem er auch sonntags zur Kirche kam und dessen blank gescheuerte Stellen er regelmäßig mit Kaffeesatz bearbeitete, damit er nicht ganz so schäbig aussah. Auch hatte er sich der Mühe unterzogen, einen weißen, unbequem steifen Kragen an das Hemd zu knöpfen und sich ein Krawattentuch umzubinden. Nur sein von der Sonne gebleichtes blondes Haar war zerzaust. Aber gerade das verlieh ihm ein besonders liebenswertes Aussehen.
»Und ob!«, beteuerte sie.
»Ich bin auch wie der Teufel geritten, um wenigstens noch ein bisschen von dem Fest hier mitzubekommen. Und wie es aussieht, komme ich für den besten Teil gerade richtig, findest du nicht auch?«
»Bis zum Feuerwerk ist noch viel Zeit, das beginnt erst um zehn«, sagte Becky.
»Das Feuerwerk ist mir überhaupt nicht wichtig«, erwiderte er. »Aber es würde mir sehr viel bedeuten, wenn du mit mir tanzen würdest.«
Becky errötete. »Das ist wirklich nett von dir, mich zum Tanz aufzufordern, aber...«, begann sie verlegen.
»Ich möchte nicht mit dir tanzen, weil ich nett zu dir sein will«, fiel er ihr leise, aber mit zärtlichem Nachdruck ins Wort. »Sondern weil du mir viel bedeutest und... weil ich dann deine Hand nehmen und halten kann, ohne fürchten zu müssen, dass du sie mir sofort wieder entziehst und mir zu verstehen gibst, dass ich etwas getan habe, was ich besser nicht hätte tun sollen.«
Die Röte breitete sich über ihr ganzes Gesicht aus. »Ich … ich würde ja so gern, Harvey, und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass du irgendetwas tun könntest, was mir nicht gefallen würde, aber ich kann leider nicht tanzen!«, flüsterte sie.
Er lachte. »Ich auch nicht, aber das macht doch nichts! Von denen da«, er deutete mit dem Kopf kurz zur Tanzfläche hinüber, »kann doch auch kaum einer richtig im Takt bleiben. Und so einen einfachen Schieber schaffen wir beide bestimmt. Hauptsache, wir sind zusammen - und ich kann deine Hand halten!«
»Meinst du nicht, du hättest erst einmal mit Winston reden müssen, bevor du mich zum Tanz führst?«
»Ach Becky! Das hier ist doch bloß ein Volksfest und keine offizielle Tanzveranstaltung von Debütantinnen«, sagte er belustigt. »Und du bist wahrlich kein kleines Kind mehr. In ein paar Wochen hast du doch deinen sechzehnten Geburtstag. Ich denke, damit ist man alt genug, um auf einem Volksfest mit einem Nachbarssohn das Tanzbein zu schwingen.«
»Du hast dir ja meinen Geburtstag gemerkt«, sagte sie mit freudiger Verlegenheit.
»Was mir sehr wichtig ist, vergesse ich nicht«, erklärte er ernst und streckte dann seine Hand aus. »Also, wagst du es, dich mir anzuvertrauen?«
Ihr Verlangen, ihm ganz nahe zu sein und seine Hand zu halten, war stärker als ihre Befürchtung, sich auf der Tanzfläche ungeschickt anzustellen und sich zu blamieren.
Zu ihrer eigenen Verwunderung bereitete es ihr jedoch überhaupt keine Schwierigkeit, sich im Rhythmus der Musik zu bewegen und sich in die primitive Schrittfolge eines Schiebers
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