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Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen!

Titel: Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Becky erfreut und setzte den schweren Sack ab. Der Vater hatte sie zwar ermahnt, nicht zu trödeln und ihm umgehend das Geld zu bringen. Aber eine kurze Atempause konnte sie jetzt gut gebrauchen.
    Mildred, deren Beine von der Tonne herabbaumelten und in fast neuen Schuhen mit rosa Schleifen steckten, schenkte ihr ein schwaches Lächeln zur Begrüßung. »Ja, ist wirklich ein Wunder. Aber du bist es doch, die sich nicht mehr blicken lässt.«
    »Tut mir Leid, aber die verdammte Näherei lässt mir einfach keine freie Zeit«, sagte Becky. Ihr fiel jetzt auf, dass Mildred ein hübsches neues Kleid trug. Das versetzte ihr einen kleinen neidvollen Stich. Wie gern hätte auch sie solch ein leichtes Kleid aus sommerlich geblümtem Stoff besessen. Sie hatte schon seit Jahren kein neues Kleidungsstück mehr erhalten. Das derbe und viel zu warme Wollkleid, das sie trug, hatte ihre Mutter abgelegt und so geschickt für sie umgeändert, dass sie noch jahrelang Säume herauslassen und ihrem Wachstum anpassen konnte. Und dementsprechend unförmig hing es ihr auch am Leib. »Aber wenn ich meiner Mutter nicht beim Nähen helfe, kommen wir nicht über die Runden.«
    »Wem erzählst du das?«, sagte Mildred mit müder Stimme. »Auch wenn meine Mutter es nicht mit dem Nähen hat... leider.«
    Becky stutzte. Erst jetzt bemerkte sie, wie blass und bedrückt Mildred aussah, und dabei hatte sie sie als überaus fröhlich und ausgelassen in Erinnerung. »Sag mal, was treibst du denn überhaupt hier vor dem Mermaids & Barrels ?«
    »Ich warte auf meine Mutter. Sie ist da drin. Hier kriegt sie den Branntwein um zwei Cent das Glas billiger als anderswo. Finney, der Besitzer, lässt ihr das nach, weil sie zahlungskräftige Kundschaft in sein Lokal bringt.« Sie zögerte kurz, ehe sie hinzufügte: »Früher wegen meiner Schwester Mary-Anne, jetzt wegen mir.«
    Ein ungutes Gefühl beschlich Becky. »Was heißt das - ›früher wegen meiner Schwester, jetzt wegen mir‹?«
    Mildred verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Meine Mutter hat Mary-Anne früher hier im Mermaids & Barrels ihre Freier besorgt und die Preise ausgehandelt«, erklärte sie. »Aber vor ein paar Wochen hat sich meine Schwester mit ihr böse überworfen. Sie will sich mit sechzehn nicht mehr alles Geld von ihr abnehmen lassen. Sie ist bei uns ausgezogen und lebt jetzt drüben in der Bowery mit einem Mann zusammen, der unser Vater sein könnte. Der sorgt jetzt für sie und... na ja, auch für alles andere, du weißt schon.«
    »Und du?«, fragte Becky erschrocken. »Du wirst doch wohl nicht denselben Weg wie deine Schwester einschlagen wollen, oder?«
    Mildred zuckte die Achseln. »Was bleibt mir denn anderes übrig? Ich kann doch meine Mutter nicht im Stich lassen, nur weil sie nicht von Gin und Branntwein lassen kann, oder? Wer soll denn sonst für sie sorgen? Und ich will nicht zu den Kellerratten gehören.«
    »Ja, aber...«
    »Meine Mutter sagt, dass ich jetzt, wo ich noch jung und unberührt bin, am meisten Geld bringe«, fuhr Mildred mit bestürzender Sachlichkeit fort. »Mary-Anne hat für ihr erstes Mal fünf Dollar bekommen, aber da ist sie ja auch schon vierzehn gewesen. Meine Mutter sagt, dass sie für mich bestimmt das Doppelte herausholen kann... und dass ich bestimmt noch lange einen guten Preis bringe, weil ich doch recht hübsch bin, kein vernarbtes Gesicht habe und auch noch all meine Zähne besitze.«
    Ein Schauer durchfuhr Becky. »Selbst wenn dir deine Mutter tausend Dollar versprechen würde, ist das doch noch lange kein Grund, deinen... deinen Körper zu verkaufen! Mein Gott, deine Mutter ist dabei, dich zur Hure zu machen!«
    Mildred hob den Kopf und sah sie mit einem erschreckend hilflosen Blick an. »Natürlich habe ich Angst davor, dass es schrecklich wehtut und ich mich davor ekeln werde… Aber meine Mutter und Mary-Anne haben gesagt, dass man sich schnell daran gewöhnt… und dass ich früher oder später ja doch mit einem Mann zusammen sein werde. Warum also nicht schon jetzt und dafür genug Geld verdienen, um einigermaßen anständig leben zu können?«
    Becky wusste in ihrer Erschütterung nicht, was sie darauf erwidern sollte. Prostitution gehörte zum alltäglichen Leben von Five Points und niemand verlor viele Worte darüber. Auch mit Moralpredigten oder gar Verachtung hielten sich die Menschen hier sehr zurück. Derlei Überheblichkeiten gehörten zum Privileg derjenigen, die aus der Sicherheit ihres gediegenen bürgerlichen Heimes über

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