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Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen!

Titel: Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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hätte ich in Five Points für lange Zeit den fetten Rahm abgeschöpft … ach was, ausgesorgt hätte ich! Und was tut sie, diese dumme Gans? Sie fällt mir nach der ersten Nacht vom Dach und lässt mich hier mit der Misere sitzen! Habe ich das verdient?«
    »Tja, an deinem süßen, kleinen Goldesel hast du wirklich keine lange Freude gehabt«, spottete jemand aus der Gruppe. »Schon nach der ersten Nacht einfach hops über die Dachkante und Amen... und das, nachdem dir deine Älteste den Laufpass gegeben hat. Du hast wirklich Pech, Lilly.«
    Ekel würgte Becky, und sie fragte sich, wie man nur so gefühllos sein konnte, um derartige Reden zu führen. Hatten Lillian Connelly und ihre Saufkumpaninnen denn kein Herz?
    Und bevor sich Becky bewusst wurde, was sie da tat, stürmte sie auf Lillian Connelly zu, riss sie von hinten an der Schulter zu sich herum - und versetzte ihr eine schallende Ohrfeige.
    Mildreds Mutter schüttete sich vor Schreck ihr Bier über das Kleid, als sie mit einem Aufschrei rückwärts gegen die Theke taumelte. Mit aufgeklapptem, fast zahnlosem Mund und aufgerissenen Augen stand sie da, von der Ohrfeige völlig überrumpelt und wie erstarrt.
    »Schande über Sie! Tausendmal Schande! Sie haben Mildreds Tod auf dem Gewissen!«, schrie Becky sie an. »Ja, in den Tod getrieben haben Sie Ihre Tochter! Lieber ist sie vom Dach gesprungen, als dieses schmutzige, abscheuliche Leben zu führen, zu dem Sie Mildred gezwungen haben!«
    »Die kleine Mildred ist gesprungen?«, fragte eine der Frauen in die unwirkliche Stille, die sich plötzlich über den Kellerladen gelegt hatte. »Heiliger Strohsack, so kann es natürlich auch gewesen sein!«
    »Wie skrupellos und wie tief gesunken muss man sein, um sein eigen Fleisch und Blut, seine eigene Tochter zu verkuppeln?«, fuhr Becky in ihrer Rage fort. »Und nicht einmal für ein anständiges Begräbnis haben Sie gesorgt, und das bei dem vielen Hurenlohn, den Sie für Mildred eingestrichen haben! Auf Potter’s Fields haben Sie Ihre Tochter verscharren lassen! Ich hoffe, Sie werden dafür Ihre gerechte Strafe erhalten und auf ewig im Fegefeuer brennen!«
    Die Anklage und deren Wucht trafen Lillian Connelly derart unvorbereitet, dass sie wie ein an Land geschwemmter Fisch hilflos nach Luft schnappte. Dann jedoch brach es schrill und mit sich überschlagender Stimme aus ihr heraus: »Lüge!... Verdammte Lügen sind das!… Es war ein Unfall!… Ich weiß es ganz genau, du dreckiges Schandmaul!«
    »Woher willst du das denn wissen, Lilly?«, höhnte eine der anderen Frauen. »Du warst doch in der Nacht stinkbesoffen!«
    »Dir Miststück werde ich es zeigen!«, kreischte Lillian Connelly und wollte mit ihrem leeren Bierhumpen nach Becky schlagen.
    Doch Becky wich dem plumpen Schlag der angetrunkenen Frau mit Leichtigkeit aus, spuckte ihr vor die Füße und rannte, die Salzdose vor die Brust gepresst, aus dem Kellerladen.
    Tränen rannen ihr über das Gesicht. Aber wenn sie auf dem Heimweg auch hemmungslos weinte, so war sie doch auch von einem Gefühl der Genugtuung und Erleichterung erfüllt. Es war nicht viel, was sie für ihre tote Freundin hatte tun können, aber vor Lillian Connelly kein Blatt vor den Mund genommen und ihre Seele erleichtert zu haben, gab ihr das tröstliche Gefühl, wenigstens für ihre tote Freundin eingestanden zu sein und etwas für ihr Andenken getan zu haben.

11
    D ER heiße Sommer, dessen Ende die alte Nelly Boyd aus der Wohnung über ihnen nicht mehr erlebte, wurde von einem regenreichen Herbst abgelöst, und dann fiel auch schon der Winter von der See her und aus dem hohen kanadischen Norden mit eisigen Winden, Stürmen und erstem Schneefall über die nordamerikanische Ostküste her.
    Mit Einzug des Winters verschlimmerte sich die Lage dramatisch für die unzähligen deutschen und irischen Tagelöhner wie Frederik Brown, die in der alten Heimat von Ackerbau und bescheidener Viehzucht gelebt hatten und keine speziellen handwerklichen Fertigkeiten vorweisen konnten. Die Arbeit auf den Baustellen, für die die Unternehmer frühmorgens je nach Bedarf tage- oder auch nur stundenweise Hilfskräfte anheuerten, kam größtenteils zum Erliegen. Und da in den Hafen weniger Handelsschiffe einliefen, wurde auch in den Docks von New York weniger reine Muskelkraft zum Löschen der Fracht und zum Beladen benötigt. Einzig der Strom der bettelarmen Einwanderer, die täglich im Hafen von Bord gingen, blieb fast ungebrochen. Sie verschärften die

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