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Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen!

Titel: Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Haushaltskasse kommt!«
    »Ich kenne drüben in der Canal Street einen Mann, der mit Streichhölzern und ähnlichem Kleinkram ein gutes Geschäft macht«, berichtete Coffin. »Ein Deutscher wie ihr, Fritz Lebrecht heißt der Kerl, ein miserabler Wetter, aber einer meiner besten Kunden. Er verkauft an seine jugendlichen Abnehmer einen Karton mit zweiundsiebzig Streichholzschachteln für vierundzwanzig Cent. Damit gehen die Jungen in den besseren Wohnvierteln von Tür zu Tür und verkaufen die Streichhölzer für ein Cent die Schachtel.«
    Beckys Gesicht leuchtete auf. »Mensch, wenn du bei ihm ein Wort für Daniel einlegen könntest, wäre ich dir unendlich dankbar!«
    »Kein Problem, aber das ist ein knochenhartes Geschäft, Becky! Jeder Cent ist verdammt hart verdient. Da werden einem mehr Türen vor der Nase zugeschlagen, als ein Straßenköter Läuse hat!«, warnte er. »Sehr viel besser als Betteln ist das nicht!«
    »Daniel ist zwar schmächtig, dafür aber zäh!«, versicherte sie. »Der lässt sich so schnell nicht unterkriegen. Und wie gesagt: Jeder Cent zählt bei uns!«
    Coffin nickte. Mit bitterer Not kannte er sich selbst nur zu gut aus. »Da gibt es noch einen kleinen Trick, um den kümmerlichen Profit ein wenig zu verbessern«, sagte er und machte eine Pause.
    Becky sah ihn erwartungsvoll an.
    »Und zwar nimmt man aus jeder Schachtel zwei, drei Hölzer, bindet sie zu kleinen Bündeln von je fünfundzwanzig Stück zusammen und verkauft sie ebenfalls für einen Cent. Das merkt niemand. Wer zählt schon nach, ob da zwei, drei Hölzer fehlen? Aber diese kleinen Tricks und was er sonst noch wissen muss, um nicht immer abgewimmelt zu werden, erzähle ich ihm, wenn ich mit ihm zu Lebrecht gehe. Sag ihm, er soll morgen Nachmittag um drei vor Slocums Laden auf mich warten. Aber das Geld für den ersten Karton muss er mitbringen. Lebrecht gibt keinen Kredit!«
    Becky dankte ihm überschwänglich und beeilte sich, die gute Nachricht ihrer Mutter und Daniel zu überbringen.
    Und so begann Daniel tags darauf, Streichhölzer zu verkaufen, indem er in den besseren Wohnvierteln von New York von Tür zu Tür ging.
    Coffin hatte nicht übertrieben: Es war wirklich nicht sehr viel besser als Betteln. Jeder Cent war mühsam erkämpft. Am Abend wusste Daniel nicht zu sagen, an wie viele Türen er geklopft und wie oft er seinen Spruch aufgesagt hatte, aber mehr als einen Viertel Dollar brachte er nur selten einmal nach Hause. Doch jeder Cent half, um die Miete zusammenzukratzen und wenigstens Brot und Kartoffeln auf den Tisch zu bringen.
    Dass mancher sauer errungene Tagesverdienst am Abend in die Taschen des Vaters wanderte und von dort auf die Theke einer Taverne, vermochte jedoch keiner zu verhindern.

12
    D AS Unglück, das im April über sie hereinbrach und rasch die Ausmaße einer Katastrophe annahm, warf schon lange vorher seine drohenden Schatten voraus, dennoch traf es sie völlig unvorbereitet.
    Es begann damit, dass Eleanor Greeley in den ersten Märztagen die Zahl der Hemden, die sie ihr jede Woche nähen durften, um ein volles Dutzend reduzierte. Alles Betteln und Flehen half nichts.
    »Ersparen Sie mir Ihr theatralisches Geheule und Händeringen! Es bleibt dabei! Ich kann nicht mehr Hemden nähen lassen, als ich verkaufen kann!«, beschied sie Beckys Mutter schroff. »Und jetzt stehlen Sie mir nicht weiter die Zeit mit Ihrem Gejammer. Ich habe genug eigene Sorgen!«
    Damit zog bittere Not bei ihnen ein, fehlten ihnen nun doch zwei Dollar im Monat, was fast der halben Monatsmiete entsprach. Ende März mussten die Eltern ihr Bett und die Kommode verkaufen, sonst wäre umgehend Mister Dougherty, ihr wohlgenährter Vermieter, mit seinen beiden prügelbewehrten Handlangern erschienen und hätte sie kurzerhand vor die Tür gesetzt. Er war bekannt und gefürchtet dafür, dass er seinen Mietern keinen Aufschub gab. Wer nicht pünktlich die volle Miete zahlte, fand sich mit seiner Familie im Handumdrehen auf der Straße wieder. Und als wäre all das nicht schon schlimm genug, sorgte der Vater mit seiner immer öfter ausbrechenden Gewalttätigkeit und seiner Flucht in den Alkohol dafür, dass ihre Situation immer unerträglicher wurde. In jener Zeit blieb er auch zum ersten Mal ganze Nächte von zu Hause fort.
    Becky wusste, welche großen Sorgen ihre Mutter quälten. Auch setzte ihr noch immer der Husten zu und brachte sie nachts um den Schlaf. Aber trotz ihrer großen wirtschaftlichen Not und dem drohenden Verlust

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