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Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen!

Titel: Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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schlechte Wirtschaftslage, die sich in jener Zeit über das Land auszubreiten begann, nur noch mehr.
    So verstrich manchmal eine ganze Woche, ohne dass Beckys Vater auch nur einen Dollar nach Hause brachte, wie sehr er sich auch darum bemühte, Arbeit zu finden. In seiner Verzweiflung griff er im Januar zu Reisigbesen und Schaufel und zog damit in die besseren Wohn- und Geschäftsviertel, um dort Schlamm und Schnee von den Straßen zu kehren, damit wohlhabende Bürger aus ihren Kutschen steigen oder die Kreuzungen überqueren konnten, ohne bis über die Knöchel in tiefem Dreck zu versinken und dabei Schuhwerk und Kleidung zu beschmutzen.
    Es war ein stummes, untertäniges Betteln um ein Trinkgeld für diese Dienste und nicht immer wurde er für seine Plackerei bei Wind und Wetter belohnt. Hinzu kam, dass diese Arbeit als street sweeper fest in der Hand von halbwüchsigen, aber straff organisierten Straßenjungen und -mädchen lag, von denen die meisten elternlos oder davongelaufen waren. Sie hielten wie ein Rudel wilder Wölfe zusammen, und mit einer Unnachgiebigkeit und Härte, die sie das Leben auf der Straße gelehrt hatte, verteidigten sie ihre Plätze, wo mit guten Trinkgeldern zu rechnen war, gegen jeden Eindringling, auch wenn es sich um einen kräftigen erwachsenen Mann wie Frederik Brown handelte.
    Zwei Wochen versuchte Beckys Vater sein Glück als Straßenkehrer, doch was er an Trinkgeld nach einem langen Tag in der eisigen Kälte nach Hause brachte, war erbärmlich. Oft genug brachte er nicht einen einzigen Cent mit. Aber fast genauso oft roch er auch nach Alkohol.
    Meist unterließ es die Mutter, ihn danach zu fragen, was er verdient und wie viel davon er in Alkohol umgesetzt hatte. Einmal jedoch stellte sie ihn zur Rede.
    »So, wieder nichts verdient?«, fragte sie knapp, doch der sarkastisch bittere Ton ihrer Stimme ließ keinen Zweifel, dass sie ihm kein Wort glaubte.
    »Nein, das habe ich dir doch gerade gesagt«, antwortete er barsch.
    »Aber für Alkohol hast du wohl Geld gehabt, ja?«, entfuhr es ihr bissig. »Wundersamerweise finden sich dafür in deinen Taschen immer wieder genug Münzen, auch an den Tagen, wo du doch angeblich keinen lausigen Cent verdient hast!«
    Becky sah, wie sich die Miene des Vaters hässlich verzerrte, und sie erschrak, ahnte sie doch, was nun passieren würde. Und so geschah es auch.
    Der Vater schlug der Mutter mit dem Handrücken so hart ins Gesicht, dass sie von der Wucht des Schlages beinahe vom Stuhl gefallen wäre. »Was fällt dir ein? Muss ich vor dir vielleicht Rechenschaft ablegen?«, brüllte er sie mit wutrotem Kopf an. »Ich lass dir und den Kindern ja eine Menge durchgehen, aber diese Unverschämtheiten nicht! Also hüte deine Zunge, Weib, oder du wirst mich noch richtig kennen lernen!« Und damit stürzte er aus der Küche, um erst spät in der Nacht sturzbetrunken zurückzukehren. Woher er das Geld gehabt hatte, um sich so zu betrinken, war Becky und ihrer Mutter ein Rätsel.
    In dieser Zeit stellte sich bei der Mutter auch wieder der Besorgnis erregende trockene Husten ein, der sie schon im letzten Winter so lange gequält hatte und den sie erst im Frühsommer wieder losgeworden war.
    »Das kommt nur von der übel verrauchten, rußigen Luft, die jeden Winter über der Stadt liegt«, wiegelte die Mutter ab. Der Gedanke, wegen der Hustenanfälle einen Arzt zu konsultieren, kam keinem von ihnen. Wovon hätten sie ihn auch bezahlen sollen?
    Der Vater hielt sich nicht lange als street sweeper. Als er am dritten Samstagabend im Theaterviertel wieder einmal in eine handgreifliche Auseinandersetzung mit einem halben Dutzend jugendlicher Konkurrenten geriet und dabei Besen und Schaufel an sie verlor, gab er auf und trieb sich fortan wieder in den Docks und auf den bekannten Plätzen Arbeit suchender Tagelöhner herum.
    Die Miete und den Lebensunterhalt zu verdienen lag mehr denn je auf den Schultern von Becky und ihrer Mutter. Aber auch wenn sie bis zur Erschöpfung Hemden für Eleanor Greeley zusammennähten, reichte das nicht aus, um ohne Hunger und Frieren über den Winter zu kommen.
    Auch Daniel leistete seinen Teil. In klirrender Kälte brach er schon lange vor dem Morgengrauen auf, um in den Straßen der Stadt Kohlenstücke zu suchen, die von den Wagen der Kohlenhändler gefallen waren. Und wenn sich ihm eine günstige Gelegenheit bot, stahl er von den Fuhrwerken und aus offenen Kohlenkisten. Manchmal versuchte er sein Glück auch auf den Docks, wo

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