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Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen!

Titel: Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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sie wusste ebenso wie ihr Bruder, was das bedeutete - nämlich den buchstäblichen Abstieg in eines dieser entsetzlichen, stinkenden Löcher, in denen die Kellerratten hausten!

15
    D ER Vater führte sie, der Empfehlung eines angeblich vertrauenswürdigen Freundes folgend, in die Baxter Street zum Haus Nummer 35, dessen heruntergekommene Fassade und aus den Angeln gebrochene Eingangstür schon einen deutlichen Hinweis auf das gaben, was sie in seinem Innern erwartete, insbesondere in den unterirdischen Räumen. Basement Boardinghouse nannte Sandy Sullivan, die Besitzerin, ihre Absteige aus labyrinthischen Kellerräumen.
    Becky schnürte es vor Abscheu die Kehle zu, als sie dem Verwalter des Boardinghouse, einem bulligen, plattnasigen Mann mit der Figur eines einstigen Preisboxers sowie langem fettigem Haar und verfaulten Zähnen, die steilen Treppen abwärts folgten. Der Schein seiner Leuchte fiel auf schimmelgrüne Wände, alle Arten von Unrat auf den Stufen und schließlich in dunkle, feuchte Löcher, in denen es von Menschen jeden Alters, gespenstig schattenhaften Gestalten, nur so wimmelte - und in die nie auch nur ein einziger Schimmer Tageslicht drang. Ein durchdringender Gestank, der ihnen wie der süßlich faule Atem der Verwesung entgegenschlug, ließ Becky mit aufsteigender Übelkeit kämpfen.
    Hier und da brannte in den Quartieren, wie der Verwalter die grässlichen Orte der Kellerabsteige hochtrabend nannte, auf einer Tonne oder einem kleinen wackligen Tisch eine Kerze. Aus groben Hölzern zusammengezimmerte Stockbetten, die noch schmaler als die schon sehr dürftigen Kojen im Zwischendeck eines Auswandererschiffes waren, zogen sich an den Wänden entlang. Zwischen den Reihen der Bettstellen waren Leinen gespannt, an denen Kleidungsstücke hingen. Das meiste davon fadenscheinig, verschlissen, immer wieder geflickt, kaum mehr als Lumpen.
    »Da unten sind noch ein paar Betten frei«, nuschelte der Verwalter und deutete mit seiner Leuchte vage auf die Bettreihe zu seiner Linken. »Drei Cent. Pro Nacht, pro Bett, im Voraus zu bezahlen.«
    »Drei Cent?«, wiederholte der Vater. »Neun Cent die Nacht? Im Monat sind das ja... warten Sie mal... zwei Dollar und siebzig Cent! Dafür kriege ich ja fast schon eine richtige Wohnung!«
    »Aber eben nur fast, Mister, und auch nur, wenn Sie das Geld auf einen Schlag hinlegen können und danach noch genug übrig haben, um nicht bei der Mission um einen Kanten Brot betteln zu müssen«, erwiderte der Verwalter trocken.
    »Himmelherrgott, drei Cent sind ein verdammt hoher Preis für... für das hier!«, sagte der Vater grimmig und machte eine unbestimmte Handbewegung, die wohl der Kellerabsteige in ihrer ganzen stinkenden Widerwärtigkeit galt.
    »Es steht Ihnen frei, das so zu sehen und sich woanders was zu suchen, Mister«, erwiderte der Verwalter. »Das ändert jedoch nichts daran, dass dies hier das beste und respektabelste Boardinghouse von ganz Five Points ist. Hören Sie sich doch um! Ich nehme nur ordentliche Leute auf, die einer ehrlichen Arbeit nachgehen. Sofern sie natürlich eine finden können, aber das ändert nichts daran, dass es anständige Leute sind. Ich habe dafür nicht nur ein gutes Auge, Mister, sondern weiß die Ordnung auch durchzusetzen. Bei mir gibt es keine Prügeleien und nachts auch kein Krakeelen. Wer Ärger macht und andere belästigt, findet sich schneller auf der Straße wieder, als er Rotze die Nase hochziehen kann!«
    »Das alles will ich Ihnen ja gerne glauben«, sagte der Vater beschwichtigend. »Aber drei Cent... Immerhin sind wir zu dritt und die Zeiten sind hart!«
    Der Verwalter zog die Augenbrauen hoch, als wollte er sagen, dass diese Bemerkung wohl nicht sehr originell sei. Aber stattdessen sagte er: »Ich kann Ihnen auch Quartiere für zwei Cent die Nacht anbieten.«
    »Wirklich? Das klingt schon besser!«
    »Kommen Sie, die preiswerteren Quartiere liegen am Ende des Gangs!«
    Becky krampfte sich der Magen zusammen, als der unruhige Lichtschein der Leuchte Augenblicke später in das hinterste und auch größte Quartier von Sandy Sullivans übler Kellerabsteige fiel und dort mit dem kläglichen Kerzenlicht der beiden Eisenleuchter links und rechts der Tür eine gelbliche Schneise in die klamme Dunkelheit warf. Daniel, der die ganze Zeit nicht von ihrer Seite gewichen war und nicht eine Sekunde lang ihre Hand freigegeben hatte, drückte sich vor Schreck und Angst ganz eng an ihre Seite.
    Während die Stockbetten in den vorderen

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