Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen!

Titel: Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
Vom Netzwerk:
Gewissen geladen hat, seit er vom Baugerüst gestürzt ist und keine feste Anstellung mehr finden konnte.« Und mit sanfterer Stimme fügte sie hinzu: »Verrenne dich nicht in blinden Hass, Daniel. Damit tust du dir nur selbst etwas ganz Schlimmes an... Und das wäre auch nicht der Daniel, den ich liebe... und den Mom geliebt hat!«
    Daniels Züge verloren ihren verbissenen Ausdruck und wurden weich. »Aber es tut so weh, Becky, es tut so schrecklich weh«, flüsterte er aufschluchzend.
    »Ich weiß«, sagte Becky und zog ihn in ihre Arme. »Ich weiß, aber wir müssen jetzt stark sein. Mom hätte es so gewollt.«
    Und während sie ihren Bruder zu trösten versuchte, spürte sie die beklemmende Frage auf sich lasten, wie es mit ihnen jetzt bloß weitergehen sollte.

14
    A UF dem Küchentisch lagen anderthalb Dutzend Münzen, die zusammen nicht einen drei viertel Dollar ergaben. Und am nächsten Tag war die Miete in Höhe von viereinhalb Dollar fällig.
    »Da sind noch vierzehn Hemden, die ich zu Missis Greeley bringen kann«, sagte Becky, und ihre Kehle war wie zugeschnürt, wusste sie doch, dass es vorn und hinten nicht reichte, um die volle Miete bis morgen zusammenzubringen - und einem Herauswurf zu entgehen.
    Daniel kauerte stumm und mit verschlossener Miene in der Ecke auf den zusammengelegten Strohsäcken und Decken ihrer Bettstellen.
    Der Vater saß Becky gegenüber am Tisch, das Gesicht grau wie alter Mörtel und mit übernächtigten roten Augen. Seine Hand zitterte leicht, als er die Münzen nervös hin und her schob.
    »Wir müssen Tisch und Stühle verkaufen«, sagte er mit rauer Stimme. »Es wird eine Weile auch ohne gehen. Und für die Sachen da...«, sein Blick ging kurz zu der Lattenkiste hinüber, in die Becky die derben Schuhe sowie das Kleid und den alten Mantel der Mutter gelegt hatte, »wird mir der alte Ferguson bestimmt einen guten Preis machen.«
    »Das wird immer noch nicht reichen«, sagte Becky. Es war sinnlos, sich etwas vorzumachen.
    Der Vater knetete seine Hände, als wollte er das fehlende Geld aus ihnen herauswringen. »Dann bleibt nichts anderes übrig, als von Missis Greeley den hinterlegten Dollar zurückzufordern!«
    »Unmöglich!«, protestierte Becky. Jede Heimnäherin musste bei ihrem Arbeitgeber als Sicherheit für mögliche Schäden an den Textilien einen Dollar hinterlegen, bevor sie Arbeit mit nach Hause nehmen durfte. Und dieser Dollar blieb so lange im Besitz des Unternehmers, bis die Näherin ihr Arbeitsverhältnis beendete. Erst dann wurde das Geld wieder zurückgezahlt. Und so hielt es auch Missis Greeley. »Wenn ich den Dollar zurückverlange, kann ich auch nicht mehr für sie nähen! Und dann... dann...« Sie führte den Satz nicht zu Ende, weil sie sich nicht ausmalen wollte, was passierte, wenn auch noch ihr Verdienst wegfiel. Die Geschäfte der Textilhändler liefen ausgesprochen schlecht. Immer öfter hörte man die Menschen auf der Straße und in den Geschäften von wirtschaftlicher Depression reden. Und es hieß, dass mittlerweile schon jede zweite Näherin ohne Arbeit war, weil in New York von zehn Textilfabrikanten wie Eleanor und Homer Greeley bloß noch zwei oder drei regelmäßig Heimarbeit vergaben.
    Der Vater machte eine ungeduldige, wegwischende Handbewegung. »Im Augenblick ist es wichtiger, dass wir den Dollar zurückbekommen, um morgen Mister Dougherty bezahlen zu können!«, beschied er sie. »Das andere wird sich schon ergeben. Wo der verfluchte Winter nun endlich hinter uns liegt, wird es jetzt auch wieder mehr Arbeit auf Baustellen und in den Docks geben. Wenn ich nur für ein paar gute Tage Arbeit finde, kann Missis Greeley wieder ihren Dollar haben!«
    Daniel gab in der Ecke einen kurzen, schnaubenden Laut von sich, der viel bedeuten konnte.
    In Beckys Ohren klang er verächtlich, und sie wusste, was ihr Bruder insgeheim dachte. Auch sie hegte starke Zweifel, dass der Vater so schnell Arbeit finden und dann auch noch einen Dollar für Missis Greeley herausrücken würde. Aber ihr blieb keine andere Wahl, als darauf zu hoffen und zu tun, was der Vater von ihr verlangte. Ohne den zusätzlichen Dollar würden sie auf keinen Fall genügend Geld zusammenbekommen, um in ihrer Wohnung bleiben zu können. Und wer konnte schon wissen, was in einem Monat war. Vielleicht hatte der Tod der Mutter den Vater ja so aufgerüttelt und zur Vernunft gebracht, dass er wirklich nichts unversucht ließ, um sie davor zu bewahren, von Doughertys Rausschmeißern auf die

Weitere Kostenlose Bücher