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Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen!

Titel: Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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zu verlieren?«, fragte er, setzte dann jedoch etwas kleinlaut hinzu: »Zumindest nicht mehr als deinen Einsatz von vierundachtzig Cent.«
    »Vierundachtzig Cent?«, wiederholte Becky ernüchtert. Ihre gesamte Barschaft, Daniels Geld mitgerechnet, betrug nicht einmal sechsundzwanzig Cent.
    »Na ja, jeder Zeitungsjunge arbeitet auf eigenes Risiko und nicht auf Kommission«, erklärte Timothy. »Man muss beim Druckhaus oder bei einem der Großverteiler mindestens vierundachtzig Cent hinlegen, wenn man mit einem Packen Zeitungen losziehen will. Und die Mindestabgabe ist nun mal ein Paket von sechsundfünfzig Ausgaben. Das heißt, du zahlst für jede Zeitung anderthalb Cent und machst an jeder verkauften Ausgabe einen halben Cent Gewinn. Bringst du den ganzen Packen an den Mann, hast du achtundzwanzig Cent verdient. Und dasselbe Spiel wiederholt sich am Nachmittag mit den Abendzeitungen.«
    »Das wäre ja mehr als ein halber Dollar pro Tag! So viel habe ich ja nicht einmal zusammen mit meiner Mutter mit dem Nähen für Missis Greeley verdienen können!«, stieß Becky hervor.
    »Ja, aber nur sofern du schnell genug bist«, schränkte Timothy ein. »Denn es schwirren ja ganze Heerscharen von Zeitungsjungen durch die Stadt. Das ist eine große und brutale Konkurrenz, nicht nur unter den verschiedenen Zeitungen, die auf dem Markt sind. Da muss man schon wissen, wann man wo seine Zeitungen am schnellsten loswerden kann, flink auf den Beinen und hellwach sein und sich natürlich auch aufs Verkaufen verstehen, wenn man nicht auf einem Großteil seiner Zeitungen sitzen bleiben will. Und jede Zeitung, die man nicht loswird, kostet bittere anderthalb Cent vom Gewinn!«
    »Aber was die anderen gelernt haben, kannst du bestimmt auch, Becky«, redete ihr Coffin zu. »Da gibt es eine Menge Verkaufstricks, die man nur wissen und anwenden muss. Und Tim wird dir dabei bestimmt helfen, richtig?«
    »Klar doch!«, versicherte dieser und gähnte herzhaft.
    Timothys Idee hatte Becky in eine derartige innere Erregung versetzt, dass es sie drängte, aufzuspringen und sich zu bewegen. Aber sie blieb im Gras sitzen und redete noch eine ganze Weile mit Coffin und Timothy über deren aufregenden Vorschlag, der ihr wie ein hoffnungsvoller Lichtschein am Horizont vorkam.
    Als sie sich endlich schlafen legten, stand Beckys Entschluss fest. Sie schwor bei ihrer seligen Mutter und der gnadenvollen Jungfrau Maria, sich keine Ruhe zu gönnen und nichts unversucht zu lassen, um so schnell wie möglich die vierundachtzig Cent Startgeld zusammenzusparen. Ganz gleich was sie für dieses Ziel auch tun und ertragen musste! Und wenn sie sich jeden halben Cent vom Mund absparen und Hunger leiden musste, sie würde das Geld zusammenbekommen! Und dann würde sie Zeitungsjunge, nein Zeitungs mädchen werden, so wahr sie Becky Brown hieß!

19
    W IE einfach es doch war, solch einen mutigen Entschluss zu fassen. Wie mühselig es dagegen war, ein derart ehrgeiziges Vorhaben auch in die Tat umzusetzen!
    Becky hielt ihr Vorhaben vor ihrem Bruder geheim. Sie wollte nicht, dass er sich ihretwegen Sorgen machte und sich vielleicht auch noch gezwungen fühlte, sich dieselben Entbehrungen aufzuerlegen, denen sie sich unterwarf. Denn sie versuchte, jeden halben Cent, den sie mit dem Sammeln von Haaren und Lumpen erarbeitete, zu sparen. Und das bedeutete schlichtweg täglichen, quälenden Hunger.
    An manchen Tagen glaubte Becky, es nicht länger aushalten zu können, besonders wenn der Geruch frisch gebackenen Brotes aus Bäckereien sie umfing oder der Bratenduft von Garküchen, auf die man überall auf den Straßen und Plätzen stieß. Dann schoss ihr vor Hunger das Wasser in den Mund, sodass sie unaufhörlich schlucken musste. Manchmal quälte sie das fast unwiderstehliche Verlangen, sich mit diesen oder anderen Köstlichkeiten voll zu stopfen, so sehr, dass ihr schwindelig wurde und sie sich irgendwo hinsetzen musste, um sich wieder unter Kontrolle zu bekommen. Mehr als einmal stand sie kurz davor, ihr Erspartes aus der Rocktasche zu reißen und es für ein warmes Essen auszugeben, ohne sich um den gewaltigen finanziellen Rückschlag zu kümmern, den eine solche Ausgabe für ihren Plan bedeuten würde. Und nachts träumte sie vom Essen, von riesigen Brotlaiben, Schinkenseiten, Töpfen voll dampfender Kartoffeln und großen Schüsseln herrlich dicker, fetter Suppe, in der es von gerolltem Bauchspeck und daumendicken Wurststücken nur so wimmelte.
    Sie kannte Hunger, aber

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