Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen!
Kontrolle bringen, notfalls mit geballter Waffengewalt.
Als die Metropolitans jedoch in die Baynard Street einbogen, sahen sie sich plötzlich einer schnell anwachsenden Menge von Aufrührern gegenüber, die ihnen den Weitermarsch in Richtung Bowery verwehrte. Ihr Versuch, eine Mauer der Verteidigung aufzubauen, scheiterte kläglich unter dem Geschosshagel aus dicken Kieseln, Zementbrocken, Ziegelsteinen, Eisenteilen, Holzscheiten, Kohlen und sogar vereinzelten Holzeimern, Töpfen und Wasserkesseln, mit denen man sie aus den umliegenden Mietshäusern unter Beschuss nahm.
Doch schon wenige Minuten nach dem erbitterten Zusammenstoß schallten neue Warnrufe durch Five Points: »Die Bowery Boys sind im Anmarsch!«
Über zweihundert schwer bewaffnete Männer und Jungen aus der Bowery stürmten von Westen über die Baynard Street heran, und die kleine Polizeigruppe der Metropolitans nutzte den Moment der allgemeinen Verwirrung und Unsicherheit, die über die Five Pointers gekommen war und sie kurzzeitig zum Zurückweichen veranlasst hatte, um durch einen tollkühnen Durchbruch in den Rücken der Bowery Boys zu gelangen, die nun den Kampf gegen die Five Pointers übernahmen, während sich die Metropolitans, viele von ihnen blutüberströmt, in den 7. Bezirk retteten.
Die Five Pointers fassten jedoch schnell wieder Mut, formierten sich neu und trieben die Bowery Boys bis zu einem großen Bauplatz auf der Südseite der Baynard Street zwischen Mott und Elizabeth Street zurück. Dieser Rückzug erwies sich für die Bowery Boys als äußerst glücklich, vermochten sie sich doch auf dem Gelände, das mit reichlich Baumaterial für ein neues Mietshaus bestückt war, zu verbarrikadieren. Mithilfe der Backsteine, die sie dort in Fülle vorfanden, und Gerüstbrettern, die sie als Schleudern für die Ziegelsteine benutzten, gingen sie von dort wieder zum Angriff über und trieben die Five Pointers zur Mott Street zurück.
Der erbitterte und mit aller Härte geführte Kampf, an dem sich bald auch wieder Metropolitans beteiligten, wogte hin und her, und die Zahl der Verwundeten wuchs auf beiden Seiten. Inzwischen beteiligten sich auch Frauen und Kinder an den Straßenschlachten. Sie sammelten Steine und andere Wurfgeschosse und schleppten sie in Schürzen, ja sogar in großen Taschentüchern zu den Männern auf den hastig errichteten Barrikaden, damit ihnen der Vorrat an Munition nicht ausging.
Um sechs Uhr fielen die ersten gezielten Schüsse aus Gewehren, Schrotflinten und Pistolen. Zu dem wüsten Kampflärm gesellten sich nun die Schreie und das Stöhnen und Wimmern der von Kugeln Getroffenen.
Zu diesem Zeitpunkt wusste ganz New York von dem blutigen Aufruhr, der in Five Points tobte, und aus allen Teilen der Stadt strömten Schaulustige an den Ort der Kämpfe. Manche wollten dem Geschehen so nahe sein, dass sie dafür bezahlten, an den Fenstern von jenen Mietshauswohnungen stehen und die Kämpfe beobachten zu können, die in allernächster Nähe der Barrikaden aufragten. So mancher von ihnen handelte sich mit seiner lüsternen Schaulust eine verirrte Kugel oder einen Querschläger ein, mindestens einen kostete sie das Leben.
Der blutige Aufruhr endete am Abend gegen acht Uhr, nachdem ein ehemaliger Polizeioffizier aus dem 19. Bezirk mit beiden Seiten verhandelt und die sofortige Einstellung des Feuers vereinbart hatte. Der Hinweis, dass sich das Militär in erdrückender Stärke im Anmarsch befand, hatte sowohl die Bowery Boys als auch die Five Pointers davon überzeugt, dass kein Sieg zu erringen war.
Die tatsächliche Zahl der Toten und Verletzten, die der blutige Aufruhr vom 4. Juli 1857 gefordert hatte, sollte niemals ermittelt werden. Die später in den Zeitungen veröffentlichte offizielle Zahl von zwölf Toten und siebenunddreißig zum Teil schwer Verwundeten gab jedenfalls den schrecklichen Blutzoll nicht annähernd wieder, wie viele Augenzeugen beteuerten.
Als endlich der mörderische Schusswechsel ein Ende gefunden hatte und Becky sich mit ihrem Bruder wieder hinaus ins Freie wagte, trieb noch beißender Pulverdampf durch die Straße. Ihr bot sich ein Anblick des Chaos und des Grauens. Frauen und Kinder liefen mit von Angst gezeichneten Gesichtern auf der Suche nach ihren Männern und Brüdern zu den Barrikaden.
Becky und Daniel schlossen sich diesem Strom an. Und je näher sie den primitiven Verteidigungsanlagen kamen, desto mehr blutüberströmte Männer begegneten ihnen. Einige von ihnen lagen stöhnend und
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