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Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen!

Titel: Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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gehe...«, beharrte er. »Versprichst du, nach mir zu suchen, bis du mich gefunden hast?«
    »Ich verspreche es, hoch und heilig!«, versicherte sie. »Und nun leg dich wieder hin. Du brauchst die paar Stunden Schlaf, die uns noch bleiben.«
    Er rollte sich in ihre Arme, wie er es früher in der Küche ihrer Wohnung in der Mulberry Street so oft getan hatte, zog seine Decke über sich und sank schnell wieder in den Schlaf zurück.
    Am 24. August, zwei Tage vor Beckys dreizehntem Geburtstag, stürzten an der New Yorker Börse die Kurse in den Keller und führten zur Panik von 1857. Auslöser dieser Panik, die ebenso viele kleine Ersparnisse wie große Vermögen vernichtete und wie ein Flächenbrand auf andere Teile der Wirtschaft übergriff und damit das ganze Land in Mitleidenschaft ziehen sollte, war der Bankrott der Ohio Life Insurance & Trust Company, einer großen Versicherungsgesellschaft, die auch Bankgeschäfte tätigte. Wie reihenweise umfallende Dominosteine, so riss dieser Zusammenbruch viele andere Firmen mit in den finanziellen Abgrund.
    An diesem Abend teilte Becky ihrem Bruder sowie Coffin und Timothy voller Stolz und Freude mit, dass sie es geschafft hatte.
    »Ich habe das Geld für den ersten Packen Zeitungen zusammen! Jetzt kann ich mein Glück als Zeitungsmädchen versuchen!«, verkündete sie, und ihr innerer Jubel, dass sie tatsächlich durchgehalten und das erreicht hatte, was sie sich vor so vielen Wochen vorgenommen hatte, kannte kaum Grenzen.
    »Du willst es als Zeitungsjunge versuchen?« Daniel fiel aus allen Wolken, als er erfuhr, was Becky vorhatte. Er grollte ihr für eine Weile, weil sie ihn nicht eingeweiht hatte, ließ sich dann jedoch von ihrer Freude und Begeisterung anstecken.
    »Von mir aus kann es gleich losgehen, Tim!« Erwartungsvoll blickte Becky ihn an. »Nimmst du mich morgen mit zur Sun und zeigst du mir, was ich tun muss?«
    Timothy lachte. »In Ordnung, morgen erhältst du deine Feuertaufe! Ich nehme dich die ersten Stunden unter meine Fittiche, damit du siehst, wie man Zeitungen an den Mann bringt!«, versprach er. »Aber mach dich auf was gefasst! Das ist kein leicht verdientes Brot!«
    »Härter, als mir die verdammten vierundachtzig Cent vom Mund abzusparen, kann es gar nicht sein!«, erwiderte sie zuversichtlich.
    Sie war bereit für ihre Feuertaufe - und eine Feuertaufe wurde es in der Tat!

20
    I N aller Herrgottsfrühe rüttelte Timothy sie am nächsten Morgen aus dem Schlaf. »Becky?… Komm, wach auf!«, raunte er ihr ins Ohr, um Daniel und Coffin nicht zu wecken. »Na los, hoch mit dir! Für Zeitungsjungen wie Zeitungsmädchen ist die Nacht jetzt vorbei!… Nun mach schon, es wird Zeit!«, drängte er.
    Becky rieb sich die Augen, kam noch ganz benommen auf die Beine und folgte Timothy, der einen schnellen Schritt vorlegte, wie eine Schlafwandlerin. Sie war gewohnt, noch vor dem Morgengrauen aufzustehen, aber so früh hatte man sie noch nie aus dem Schlaf gerissen. Hatte sie sich denn nicht erst vor wenigen Minuten in ihre Decke gerollt und die Augen zugemacht?
    »Wie spät ist es überhaupt?«
    »Es dürfte kurz nach vier sein.«
    »Heilige Muttergottes, das ist ja noch mitten in der Nacht!«, entfuhr es ihr. »Muss das sein? Wer kauft denn so früh Zeitungen? Um die Uhrzeit ist doch noch kaum einer auf den Straßen!«
    »Ja, es muss sein. Wir haben noch einen weiten Weg bis hinunter zur Fulton Street. Und je eher wir auf dem Hinterhof der Sun stehen und uns in die Schlange stellen, desto eher bekommen wir unseren Packen Zeitungen«, erklärte er, ohne sein Tempo zu mäßigen. »Und du kannst mir glauben, dass wir mit Sicherheit nicht zu den Ersten gehören werden, die sich dort vor der Rampe anstellen!«
    »Das kann nicht dein Ernst sein!«
    »Und ob es das ist!«, bekräftigte er. »Die ganz hart gesottenen Zeitungsjungen schlafen nämlich vor dem Tor und auf der Straße vor dem Verlagsgebäude!«
    »Himmel!«, murmelte Becky.
    Dass Timothy nicht übertrieben hatte, sah Becky, als sie Lower Manhattan erreichten und um die Ecke Fulton und Nassau Street bogen. Auf dem Hof der Sun hatte sich schon eine Schlange von gut zwei Dutzend Zeitungsjungen gebildet, die darauf warteten, dass sich das eiserne Rollgitter an der Rampe hob und die ersten Packen der druckfrischen Ausgabe ausgegeben wurden. Sie konnte nicht ein einziges Mädchen in der Schlange entdecken.
    »Ich gebe dir noch einen guten Rat«, sagte Timothy leise zu ihr und blieb kurz im Tordurchgang stehen.

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