Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen!
musste, um den am Boden Liegenden vor noch viel übleren Verletzungen zu bewahren.
Becky ritt der Teufel, und statt ihren Fuß zurückzuziehen, forderte sie grimmig: »Okay, Tim - aber erst muss er die Pimperliese zurücknehmen!«
»He, was soll der Scheiß da vorne!«, brüllte jemand hinten im Tordurchgang. Die noch vor wenigen Augenblicken zügig vorrückende Schlange war ins Stocken geraten, und schnell bildete sich hinter den Schaulustigen, die um Becky und Lewis einen Halbkreis gebildet hatten, ein Rückstau von nachströmenden Zeitungsjungen.
»Prügelt euch gefälligst woanders!«
»Was ist da überhaupt los?«
»Jemand hat Lewis Quinn ausgeknockt!«
»Was juckt mich das? Die sollen hier nicht den Laden aufhalten, verdammte Lahmärsche!«
Ungeduld und Ärger der sich im Tordurchgang drängenden Zeitungsjungen schwollen zu einem gefährlich grollenden Chor an.
»Nun mach schon, Lewis!«, drängte Timothy. »Sonst sitzt dir gleich auch noch die ganze Meute im Nacken!«
»Ich... nehm’s... zurück!«, presste der Junge, der noch immer nicht wusste, wie ihm geschehen war, mühsam hervor.
»Na dann, nichts für ungut, Lewis«, sagte Becky gönnerhaft und gab ihn frei.
Lewis rappelte sich auf, und während er sich das Blut vom Gesicht wischte, beschwerte er sich, wenn auch recht kleinlaut, bei Timothy: »Mensch, ich konnte doch nicht wissen, dass sie zu dir gehört! Hättest mir doch was sagen können, Mann!«
»Becky gehört nicht zu mir!«, antwortete Timothy kühl. »Sie gehört zu niemandem, weil sie keinen braucht, der auf sie aufpasst. Das besorgt sie schon allein. Sie kommt aus den Docks von der Water Street. Sei bloß froh, dass du so billig davongekommen bist! Und jetzt Schluss mit der Quatscherei, Leute. Wir haben schon genug Zeit vertrödelt, und die Konkurrenz von Herald Tribune und Times schläft nicht - auch wenn sie uns das Wasser nicht reichen kann!«
Zustimmendes Gelächter brach die angespannte Atmosphäre und damit hatte sich der Sturm schnell wieder gelegt.
Ohne ein weiteres Wort miteinander zu wechseln, rückten Timothy und Becky zur Rampe vor, lieferten wenig später auf dem Pult des Aufsehers ihre vierundachtzig Cent ab und nahmen von einem der Verteiler ihren Packen Zeitungen in Empfang.
Erst als sie wieder auf der Straße standen und sich ein Stück von den anderen Zeitungsjungen entfernt hatten, äußerte sich Timothy zu der Prügelei im Verladehof der Sun.
»Heiliger Strohsack, was bin ich froh, dass ich nicht derjenige gewesen bin, der das Pech hatte, hinter dir zu stehen!«, stieß er kopfschüttelnd hervor. »Ich habe dir ja eine Menge zugetraut. Aber dass du es so faustdick hinter den Ohren hast, und zwar buchstäblich, hätte ich nicht gedacht! Wenn das mal nicht der großartigste Knockout aller Zeiten gewesen ist! Unglaublich, wie du das gemacht hast! Und ich hatte schon gefürchtet, es würde schief gehen. Mann o Mann, das war ein Schauspiel für die Bühne!«
»Bis auf die Tatsache, dass ich mir um ein Haar vor Schiss in die Hose gemacht hätte, als mich der Bursche angerempelt hat!«, gestand Becky und fühlte sich ganz schwach auf den Beinen.
Timothy grinste. »Fassade ist eben alles! Aber damit ist die Sache für dich gegessen. Jetzt hast du dir Respekt verschafft. Was glaubst du, wie schnell diese Geschichte unter den Jungs die Runde machen wird! Das ist die Story des Tages, darauf kannst du Gift nehmen! Von jetzt an wird dich keiner mehr dumm anmachen.«
»Du warst auch nicht schlecht«, sagte Becky und dankte ihm für seinen Beistand. »Obwohl das mit dem Messer schon ein bisschen dick aufgetragen war.«
Er lachte. »Ach was, nach dem Fausthieb hätten sie dir alles zugetraut. Und jetzt lass mich mal deine Knöchel anschauen!… Mhm, da hast du dir ja ordentlich die Haut aufgeschlagen. Daran wirst du noch eine ganze Weile deine Freude haben.«
Becky zuckte die Achseln. »Ich denke, damit bin ich noch gut davongekommen.«
»Du hast Recht. Alles hat seinen Preis«, pflichtete er ihr bei. »So, und jetzt zeige ich dir, wie man Zeitungen verkauft. Das A und O sind Schnelligkeit, Lautstärke und die richtige Mischung der Schlagzeilen, die du ausrufst. Panik an der Wall Street! Das ist heute die Hauptstory! Und wenn ich das gleich auf den Straßen hinausposaune, füge ich noch den Spruch Tausende vor dem Ruin! hinzu. Die Menschen lieben Katastrophenmeldungen, vor allem wenn sie sich direkt angesprochen fühlen und die Nachricht mit ihrem eigenen Leben in
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