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Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen!

Titel: Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Verbindung bringen können. Auch Neid auf die Reichen verkauft sich gut. Deshalb machst du aus der eigentlich nebensächlichen Meldung, dass sich in Pittsburgh und Chicago Stahlfabrikanten gegenseitig das Wasser abzugraben versuchen, den Verkaufsspruch Krieg der Stahlbarone ! Immer eine satte Portion Übertreibung, okay?«
    Becky nickte und hörte aufmerksam zu, als Timothy die Zeitung aufschlug und mit seinen Erläuterungen fortfuhr, während er blitzschnell die Nachrichten überflog.
    »Und die Leute, die eine Zeitung wie die Sun kaufen, sind noch mehr an saftigen Skandalen, Tragödien, Verbrechen und Sensationen interessiert. Du musst deshalb ganz schnell die wichtigsten Seiten überfliegen und dir die passenden Geschichten herauspicken, mit denen du die Leute dazu bringst, dir eine Ausgabe abzukaufen, um mehr darüber zu erfahren. Hier ist so eine Geschichte, die ganz nach dem Geschmack der Leute ist! Ein Mord drüben in Hoboken! Daraus machst du dann Der Schlächter von Hoboken hat wieder zugeschlagen! oder Hoboken zittert vor dem Mitternachtsmörder! Und dann wähle ich heute noch die Geschichte über den Hochstapler aus, der eine reiche Witwe um einen Haufen Schmuck erleichtert hat. Daraus wird bei mir Falscher Baron plündert Diamanten-Lady! So was lieben die Leute.«
    »Verstehe.«
    Timothy gab ihr noch einige andere Ratschläge, etwa wann sie an den Anlegestellen der Fähren sein musste, um sich unter den Strom der von Bord eilenden Arbeiter zu mischen. Dann sagte er: »Okay, das muss für den Anfang reichen. Alles andere kommt sowieso nur durch Übung. Mit der Zeit hast du den Dreh schon raus und kriegst auch ein Auge für die Leute, die zur Kundschaft der Sun gehören können. Als simple Faustregel kannst du dir merken: Je einfacher jemand angezogen ist, desto eher zählt er zu unserer Klientel, die zerlumpten Gestalten und Hungerleider natürlich ausgenommen. Also dann, an die Arbeit, Becky!«
    Die erste Stunde heftete sie sich an seine Fersen und versuchte, es ihm nachzumachen, so gut sie konnte. Sie musste sich anstrengen, in seiner Nähe zu bleiben, flitzte er doch, seine Schlagzeilen ausrufend, wie ein Wiesel mal hierhin, mal dorthin, sprang auf vorbeikommende Fuhrwerke und verschwand dann im nächsten Moment in einem Barbiersalon oder in einer jener primitiven Kellergaststätten und Coffee & Cake Saloons, wo zu dieser frühen Stunde Theken und Tische von Arbeitern, Polizisten, Schauerleuten und anderen bevölkert waren, die von der Nachtschicht kamen und genug Geld für ein deftiges, aber preiswertes Frühstück in der Tasche hatten. Doch in derselben Zeit, in der er ein Dutzend Zeitungen an den Mann brachte, wurde sie gerade mal fünf los.
    »Wenn das mit mir so weitergeht, endet der Tag in einer Katastrophe und ich krieg nicht mal meinen Einsatz heraus!«, sorgte sich Becky, als sie während einer kurzen Verschnaufpause an einer Straßenkreuzung standen.
    »Dummes Zeug! Du machst das schon!«, redete er ihr zu. »So, und jetzt müssen sich unsere Wege trennen, wenn wir uns nicht gegenseitig Konkurrenz machen wollen. Gegen neun, halb zehn solltest du deine Zeitungen verkauft haben! Dann treffen wir uns in Maggie’s Soup Kitchen , okay? Das ist eine Kellerwirtschaft an der Ecke Pearl und Maiden Lane, wo die Hochbahnen der Gilbert Railway und der New York Railroad über der Straße zusammenkommen. Das ist eines von unseren Stammlokalen! Und jetzt sieh zu, dass du hinunter zu den Fähren am East River kommst. Ich grase die Docks am Hudson ab. Anschließend nimmst du dir den Fulton Markt vor! Viel Glück! Also bis nachher bei der dicken Maggie Linford!« Und weg war er.
    Becky eilte, wie er es ihr geraten hatte, zu den Anlegestellen der Fähren, die Arbeiter, Angestellte und Dienstpersonal von Brooklyn über den Fluss nach Manhattan brachten. Und hier sowie auf dem Fulton Markt verkaufte sie ihre meisten Zeitungen. Aber die Konkurrenz durch andere Zeitungsjungen, die teilweise feste Kunden hatten, erschien ihr erdrückend. Bis zu diesem Tag war ihr nicht wirklich bewusst gewesen, welch eine schier unüberschaubare Legion von Zeitungsjungen jeden Morgen in New York ausschwärmte und auf allen Straßen, Hafenanlagen, Märkten und anderen öffentlichen Plätzen um Kundschaft kämpfte.
    Um halb elf gab sie es auf, ihre restlichen Ausgaben der Sun loswerden zu wollen, und begab sich in die Kellerwirtschaft an der Ecke Pearl und Maiden Lane.
    Timothy saß mit drei anderen Zeitungsjungen an einem der Tische

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