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Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen!

Titel: Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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gleich neben der Tür und winkte sie heran, als sie sich suchend umschaute. »Na, wie ist es gelaufen?«, rief er, und dann fiel sein Blick auf die Zeitungen, die sie noch mit sich schleppte. »Nicht ganz so gut, wie ich sehe.«
    »Ich bin auf zehn Zeitungen sitzen geblieben«, sagte sie niedergeschlagen und sank erschöpft auf den Stuhl, den Timothy ihr hinschob. »Das sind ganze acht Cent, die ich verdient habe.«
    »Immerhin hast du deinen Einsatz heraus und kannst heute Nachmittag bei der Evening Post mitmachen«, versuchte Timothy, sie zu trösten. »Dann läuft es bestimmt um einiges besser. Und du kannst von deinem ersten Tag auch keine Wunder erwarten.«
    »Sechsundvierzig Verkaufte sind doch gar nicht mal so übel für den ersten Versuch«, sagte einer der drei anderen Zeitungsjungen. »Ich bin beim ersten Mal nur um einen lausigen Cent über meinen Einsatz gekommen. Was meinst du, wie mir da die Muffe gegangen ist!«
    Die beiden anderen nickten und wussten Ähnliches zu berichten. »Das dauert eben ein paar Tage, bis man den Bogen richtig raushat!«, versicherten sie.
    »Genau!«, pflichtete Timothy ihnen bei. »Und jetzt stärkst du dich erst einmal. Du musst bei Kräften bleiben, sonst hältst du das Tempo nicht durch.«
    »Da sagst du was!«, seufzte Becky, die sich so erledigt fühlte wie selten.
    »Am besten holst du dir an der Theke einen großen Pott Kaffee und Maggies Erbsensuppe mit Würstchen, das kriegst du hier für sechs Cent. Dann bleibt dir noch genug, um später mit der Post loszuziehen.«
    Der Zuspruch von Timothy und den drei anderen Zeitungsjungen tat ihr so gut wie der Kaffee und die kräftige Suppe mit der Wurst - das beste Essen, das sie in vielen Wochen zu sich genommen hatte.
    Nachdem Becky sich in Maggie’s Soup Kitchen ausgiebig gestärkt und ausgeruht hatte, begab sie sich mit den andern hinunter zu den Anlegestellen der Überseedampfer, wo sie sich unter die Kofferträger mischten. Etwas, das sich Becky ohne Timothys Beistand vorher auch nicht zugetraut hätte. Wenn sie nicht einen kräftigen Jungen wie ihn an ihrer Seite gehabt hätte, wäre wohl kaum einer der Passagiere auf die Idee gekommen, sie für diese Arbeit in Betracht zu ziehen, boten sich doch genug Männer und Jungen an. So aber profitierte sie von Timothys Körperkraft und Unverfrorenheit, reichte er doch immer die beiden ersten Taschen oder Koffer an sie weiter.
    Diese Handlangerdienste brachten ihr weitere fünf Cent ein. Um kurz vor drei stand sie dann auf dem Hof der Evening Post , um ihr Glück als Zeitungsmädchen ein zweites Mal an diesem Tag zu versuchen. Diesmal mit einem etwas besseren Ergebnis, musste sie am Ende doch nur sechs Zeitungen als unverkäuflich abschreiben.
    Damit hatte sie alles in allem einen Tagesverdienst von neunundzwanzig Cent erzielt. Abzüglich der Kosten für das Mittagessen blieben ihr dreiundzwanzig Cent. Das reichte, um sich mit Daniel in einer preiswerten Kellerwirtschaft zur Feier des Tages ein üppiges Abendessen zu leisten.
    Ihr Bruder hatte Tränen in den Augen, als sie von der Theke zurückkam und einen großen Teller mit Kartoffeln, Kohl und einem richtigen Steak vor ihm auf den Tisch stellte. Er konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal ein so fürstliches Gericht vorgesetzt bekommen hatte! Volle zehn Cent hatte sie sich das Festessen kosten lassen - für jeden von ihnen!
    »Du hast deine Feuertaufe bestanden, Becky!«, sagte Timothy, als sie sich zu ihrem Lagerplatz im Central Park begaben, und klopfte ihr anerkennend auf die Schulter. »Und ich sage dir, mit jedem Tag wirst du auf weniger Zeitungen sitzen bleiben! In ein paar Wochen bist du so gut wie die besten von uns!«
    In dieser Nacht fiel Becky in einen seligen Schlaf.

21
    B ECKY lernte schnell, was einen erfolgreichen Zeitungsverkäufer von einem nur mäßig guten unterschied. Wo immer ihr einer jener besonders brillanten Zeitungsjungen begegnete, die auch noch im dichtesten Verkehr mit traumwandlerischer Sicherheit von Fuhrwerk zu Fuhrwerk und auf die Trittstangen vorbeiratternder Mietdroschken sprangen, hängte sie sich eine Weile an seine Fersen und studierte seine Bewegungen und Verkaufstricks. Auch beherzigte sie Timothys Ratschläge und arbeitete an den Formulierungen der Schlagzeilen, die sie nach hastigem Überfliegen der Nachrichten auf den ersten drei Seiten und der Rückseite ausrief und die möglichst dramatisch klingen mussten.
    Drei Wochen später, Mitte September, kam Becky zum ersten Mal

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