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Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen!

Titel: Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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keinem mehr zwei Cent aus der Tasche!«
    Clover grinste. »Ich sag’s doch: Wir brauchen eine hübsche Mischung aus Indianermassakern, Börsenpanik, abscheulichen Mordfällen und Schiffsuntergängen - und dazu gelegentlich noch eine nette öffentliche Hinrichtung, dann läuft das Geschäft!«, verkündete er und rülpste laut.
    Becky mochte den Zynismus nicht, den manche der Zeitungsjungen an den Tag legten und auf den viele auch noch stolz waren. Sie verstand jedoch, warum sie sich so kaltschnäuzig gaben. Das unbarmherzige Leben auf der Straße hatte sie nichts anderes gelehrt.
    Aber sie wollte nicht so werden, das schwor sie sich im Stillen. Und deshalb bereitete es ihr auch große Sorgen, wie sie Daniel davor bewahren konnte, schon in jungen Jahren ähnlich abgebrüht und mitleidlos zu werden wie Clover und Jerry. Dass er noch immer jeden Tag tapfer mit seinen Streichholzschachteln loszog und jeden Abend mit nur wenigen lumpigen Cent für all seine Mühe zu ihren Treffpunkten kam, bedrückte sie zusätzlich.
    Als Daniel sie in den letzten, schon kühler werdenden Septembertagen zaghaft fragte, ob sie es ihm denn zutraue, sich als Zeitungsjunge ebenso erfolgreich behaupten zu können wie sie, zögerte sie daher keinen Augenblick, ihm die Chance dazu zu geben.
    »Warum nicht? Wenn du das möchtest, sollten wir es versuchen.«
    »Und du meinst nicht, dass ich noch nicht alt genug dafür bin?«, fragte er voller Selbstzweifel.
    »Ach was, viele Zeitungsjungen sind noch jünger als du«, sagte sie und nahm ihn gleich am nächsten Morgen mit in den Hof der Sun.
    Insgeheim hegte sie jedoch starke Bedenken. Nicht weil er gerade erst neun war, sondern weil sie befürchtete, dass sein sanftes, schüchternes Wesen ihm im Weg stehen würde. Er mochte zwar flink auf den Beinen sein, aber an einer Hintertür Mitleid zu erregen und eine Schachtel Streichhölzer loszuwerden war etwas anderes, als mit einem schweren Packen Zeitungen durch New York zu laufen und dabei selbstbewusst und mit großspurigem Gehabe Schlagzeilen auszurufen. Aber wie konnte sie ihm die Bitte abschlagen? Und da sie trotz der ordentlichen Mahlzeiten, die sie sich nun täglich gönnten, mittlerweile fast anderthalb Dollar angespart hatte, fehlte es auch nicht am nötigen Startkapital für ihn.
    Ihre geheime Befürchtung erwies sich leider als richtig. An seinem ersten Tag holte Daniel, obwohl sie ihm nach besten Kräften zu helfen versuchte, noch nicht einmal seinen Einsatz wieder heraus. Und dasselbe wiederholte sich an den nächsten drei Tagen.
    »Nichts gegen deinen kleinen Bruder, aber Daniel bringt es nicht!«, warnte Timothy sie. »Er hat einfach nicht das Zeug für diesen Job, das siehst du doch selbst, Becky! Du hast ihm eine Chance gegeben, mehr kannst du nicht machen. Schmeiß nicht noch mehr Geld aus dem Fenster!«
    Daniel war am Boden zerstört. Am Abend des vierten Tages wagte er es nicht einmal, zu Becky und den anderen Zeitungsjungen in die Kellerwirtschaft hinunterzusteigen.
    »Dein kleiner Bruder steht drüben auf der anderen Straßenseite«, sagte jemand zu Becky. »Ich glaube, er traut sich nicht herein, denn er steht da schon eine ganze Weile. Der Arme sieht so bleich wie ein Leichentuch aus.«
    Becky, die schon voller Unruhe auf ihn gewartet hatte, sprang sofort vom Tisch auf, stürzte die Treppe hoch und lief zu ihm über die Straße - und erfasste die Bescherung mit einem Blick. Ihr Bruder war mit fast vierzig Ausgaben der Post zurückgekommen. Der Stoß Altpapier lag im Straßendreck zu seinen Füßen, eine Kapitulation, die keiner weiteren Worte bedurfte.
    Nach den Reinfällen der anderen drei Tage, die schon viel Geld gekostet hatten, bedeutete das für sie beide eine schmerzliche finanzielle Einbuße. Jetzt hatte Becky gerade noch genug Geld in der Tasche, um das Essen für sie beide bezahlen und morgen in der Frühe ihren üblichen Einsatz auf das Pult des Aufsehers legen zu können. Damit fing sie wieder dort an, wo sie Ende August begonnen hatte! Einen Moment lang war ihr elend zumute und Ärger stieg wie bittere Galle in ihr auf. Warum hatte sie sich nur wider besseres Wissen darauf eingelassen? Schon nach den ersten beiden katastrophalen Tagen hätte sie auf Timothy hören und dem verlustreichen Spiel ein Ende bereiten sollen!
    Beschämt schlug Daniel den Blick nieder, als sie zu ihm eilte. »Es... es tut mir Leid, Becky, dass... ich wieder versagt habe!… All das viele Geld, das du so hart zusammengespart hast... es ist

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