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Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen!

Titel: Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Nachts in Flammen aufgegangen sind. Aber das liegt jetzt schon gut zehn Jahre zurück. Und zu seinem Spitznamen ist er gekommen, weil er sich eine ganze Menge von Bibelsprüchen angeeignet hat, die er bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit zum Besten gibt. Er kann nämlich lesen. Jedenfalls haben sie ihn damit aufgezogen und ihm den Spitznamen ›Justin der Prophet‹ angehängt, als er noch jünger war als Daniel jetzt.«
    »Und zu welchen Kreisen, die uns helfen könnten, gehört er?«, wollte Timothy nun wissen.
    »Zu den river rats «, antwortete Coffin. »Ich weiß zwar nicht, ob er selbst auch zu diesen kaltblütigen Flusspiraten gehört, die nachts den Hudson und den East River unsicher machen und mit ihren schnellen Booten vor Anker liegende Schiffe überfallen und ausrauben. Aber dass er irgendwie mit ihnen zu tun hat und sich in dem Schlangennest auf der Water Street so gut auskennt wie ich mich in Five Points, weiß ich mit Sicherheit. Also wenn uns jemand weiterhelfen kann, dann er und seine Kumpane!«
    »Wir sollen uns mit den berüchtigten Flussratten einlassen?«, stieß Becky erschrocken hervor. »Heilige Muttergottes, gegen diese Banden von der Water Street nehmen sich doch alle Gangs von Five Points wie Sonntagsschüler aus!« Sie hatte genügend Berichte über die Brutalität und die Menschenverachtung der Flussratten in der Sun gelesen. Wo ein Five Pointer mit der Faust zuschlug, da stach ein Mitglied der Flusspiraten ohne zu zögern mit dem Messer zu - oder griff gleich zur Pistole, so hieß es. Ihre Tollkühnheit stand ihrer Skrupellosigkeit in nichts nach. Allein schon die Namen der Banden, die von den Flussratten mit dem Stolz von unerschrockenen Kriegern getragen wurden, konnten einem einen Schauer über den Rücken jagen. Da gab es die Border Gang, die Slaughter Housers, die Hookers, die Daybreak Boys, die Swamp Angels und wie sie sonst noch alle hießen.
    Auch Timothy machte eine besorgte Miene. »Das klingt reichlich riskant! Du weißt doch ganz genau, dass sich nicht einmal die Polizei in deren Schlupflöcher auf der Water Street wagt!«
    »Hast du eine bessere Idee, wie wir Daniel aus dem Gefängnis holen können?«, fragte Coffin trocken in die Runde.
    »Nein«, gestand Timothy.
    »Na, dann werde ich mich wohl am besten mal auf den Weg machen und sehen, wo ich Justin auftreiben kann. So früh am Abend dürfte das noch nicht allzu schwer sein«, schlug Coffin vor. »Oder hat jemand was dagegen einzuwenden?« Er blickte Becky an, lag doch die Entscheidung allein bei ihr.
    Sie schüttelte stumm den Kopf. Um Daniel zu retten, hätte sie nötigenfalls auch mit dem Teufel persönlich einen Pakt geschlossen!

25
    C OFFIN brachte Becky und Timothy, der trotz sichtlichem
    Unbehagen darauf bestand, mit von der Partie zu sein, schon am nächsten Abend mit Justin Sawyer zusammen. Sie trafen sich mit ihm am Kai der Fulton-Fähre, nur ein paar Häuserblocks vom berüchtigten Revier der Flusspiraten rund um die Water Street entfernt, aber doch noch auf einem einigermaßen sicheren Terrain.
    Justin der Prophet, ein stämmiger Bursche von vielleicht sechzehn, siebzehn Jahren wartete schon auf sie. Ein nachlässig gezogener Mittelscheitel teilte sein langes, verfilztes Haar, das ihm bis auf die Schultern fiel. Er hockte auf einem Poller und las in einer billigen Ausgabe der Bibel, wie sie oft von den Missionaren unter die Leute gebracht wurden, die sonst nie auf den Gedanken verfallen wären, auch nur ein Sixpence für ein Buch auszugeben.
    Als sie näher kamen, sah Becky, dass seine gesamte rechte Gesichtshälfte vom Kinn bis hoch über die Stirn von hässlichen roten Brandnarben verunstaltet war. Auch die Bibel, die er in der Hand hielt, war stark vom Feuer gezeichnet. Die Seiten wiesen schwarz verkohlte Ränder auf und in das obere linke Drittel hatten sich die Flammen daumentief und gut zwei Finger breit in die Seiten gefressen. Becky bemerkte auch das lange Bootsmesser, das er links an einem breiten Ledergurt trug.
    »Justin, das sind meine Freunde Timothy und Becky«, stellte Coffin sie vor. »Worum es geht, habe ich dir ja gestern schon erzählt.«
    Becky nickte Justin wortlos zu, wusste sie doch vor Beklommenheit nicht, was sie zu dieser Gestalt sagen sollte, um die sie sonst schon bei helllichtem Tag, geschweige denn in der Dunkelheit einen großen Bogen gemacht hätte.
    »So, du bist also Becky, die da sprach: Soll ich meines Bruders Hüter sein? «, sagte Justin, schlug die Bibel zu

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