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Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen!

Titel: Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Achseln. »Nicht ganz die feine Art, dass er dir vorher nicht Bescheid gesagt hat. Aber Daniel kommt ja nicht aus einem vornehmen Mädchenpensionat. Er kennt sich auf der Straße aus und weiß schon auf sich aufzupassen«, beruhigte er sie. »Vermutlich liegt er schon unter seiner Decke im Park, wenn wir da eintreffen.«
    »Na, der wird was zu hören kriegen, darauf könnt ihr euch verlassen!«, sagte Becky grimmig und machte sich mit ihren Freunden auf den Weg in den Central Park.
    Sie rechneten fest damit, Daniel schon an ihrem vertrauten Lagerplatz hinter dem See anzutreffen, doch diese Annahme erwies sich als falsch.
    Becky fand kaum Schlaf in dieser Nacht, obwohl sie hundemüde war. Die wachsende Sorge um ihren Bruder hielt sie über lange Stunden hinweg wach. Zwar fielen ihr vor bleierner Müdigkeit dann doch die Augen zu, aber sie schreckte immer wieder auf, weil sie meinte, Schritte und das Rascheln von Zweigen gehört zu haben. Doch Daniel kam nicht und aus der Sorge wurde Angst.
    Am Morgen stellte sie sich zum ersten Mal, seit sie Zeitungen verkaufte, nicht in die Schlange der Zeitungsjungen im Hof der Sun , sondern machte sich auf die Suche nach ihrem Bruder. Sie suchte andere Schuhputzer auf, die Daniel kannten, und fragte in Five Points nach, ob ihn jemand gesehen hatte, doch ohne jeden Erfolg.
    Tags darauf beteiligten sich auch Timothy und Coffin an der Suche und sogar Jerry und Clover hielten auf ihrer Verkaufstour durch die Stadt Augen und Ohren offen. Getrennt schwärmten sie aus, um in der Millionenstadt eine Spur von ihm zu finden. Doch erst fünf Tage nach Daniels Verschwinden erfuhr Becky, die mittlerweile fast krank vor Angst um Daniel war, was ihr Bruder in jener Nacht vorgehabt hatte - und was ihm widerfahren war.
    Coffin war es, der endlich etwas in Erfahrung brachte und damit ihrer schrecklichen Ungewissheit ein Ende bereitete. »Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht«, sagte er, als er am Abend wieder mit Becky und Timothy zusammentraf.
    Becky sah ihn in stummer Angst an.
    »Erst die gute!«, drängte Timothy.
    »Die gute Nachricht ist, dass Daniel gesund und munter ist... das heißt, allzu munter dürfte er kaum sein«, berichtete Coffin. »Denn die schlechte Nachricht ist, dass man ihn auf Blackwell’s Island eingebuchtet hat.«
    »Nein!«, entfuhr es Becky entsetzt.
    Und Timothy schüttelte heftig den Kopf. »Aber das kann doch gar nicht sein! Da muss jemand einen bösen Fehler gemacht haben!«
    »Ich wünschte, es wäre so«, seufzte Coffin, »aber wie ich erfahren habe, hat Daniel eine große Dummheit begangen, für die er jetzt bitter bezahlen muss. Denn so schnell wird er kaum von der verfluchten Insel herunterkommen.«
    »Was hat er getan?«, stieß Becky hervor.
    Coffin atmete tief durch, bevor er antwortete. »Dein Bruder ist auf frischer Tat dabei erwischt worden, wie er auf den Dächern der Elizabeth Street Bleiverkleidungen von den Schornsteinen gerissen hat.«
    Becky stöhnte gequält auf. Und im selben Moment erinnerte sie sich daran, was ihr am vorletzten Sonntag vor dem Schaufenster auf der Bowery unbedacht über die Lippen gekommen war. Das Kleid!, schoss es ihr durch den Kopf. Daniel wollte mit dem Verkauf der Bleibleche schnell an Geld kommen, um ihr als Geschenk zu ihrem vierzehnten Geburtstag übermorgen das Sommerkleid zu kaufen! Nur das konnte ihn dazu verleitet haben, sich auf diesen riskanten Diebstahl einzulassen. Ihr wurde fast übel bei der Erkenntnis.
    »Fast wäre Daniel ja noch die Flucht gelungen«, fuhr Coffin in seinem niederschmetternden Bericht fort. »Aber dann hat ihm wohl jemand ein Bein gestellt und sofort hatten ihn die Polizisten am Kragen. Sie haben ihn aufs Revier geschleppt und schon tags darauf hat ihn ein Richter im Schnellverfahren abgeurteilt und nach Blackwell’s Island bringen lassen. Ihr wisst ja, wie schnell sie bei Straßenkindern, die kein Zuhause und keine Eltern haben, mit einem Urteil bei der Hand sind.«
    »Und jetzt sitzt er in der Jugenderziehungsanstalt ein?«, fragte Timothy.
    »Nein, viel schlimmer«, sagte Coffin leise. »Die Anstalt ist offenbar überbelegt und da haben sie ihn einfach ins Gefängnis gesteckt.«
    Becky schlug die Hände vors Gesicht und weinte. Sie allein trug die Schuld, dass ihr Bruder jetzt auf der streng bewachten Insel einsaß. Und jeder, der aus Five Points oder einem ähnlichen Armenviertel kam, wusste, was das bedeutete. Die Gefangenen hausten in engen, überbelegten Zellen, trugen

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