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Beethoven: Der einsame Revolutionär. (German Edition)

Beethoven: Der einsame Revolutionär. (German Edition)

Titel: Beethoven: Der einsame Revolutionär. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Caeyers
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Hofleben in einem Stil, der die Grenzen zwischen richtigem Theater und Repräsentation, zwischen Fiktion und inszenierter Realität fortwährend verschwimmen ließ. Der Tag begann mit einer festlichen Messe, in der Clemens August natürlich die Hauptrolle spielte; anschließend wurden die Pferde für die Beizjagd gesattelt, die eigentliche Spezialität des Erzbischofs; nach der Jagd dinierte man in einem eigens zu diesem Zweck gebauten Bewirtungs-Schlösschen, mit einer Art Tischlein-deck-dich-Theatermaschine, die reich gedeckte Tafeln aus dem Fußboden steigen ließ, als besonderem Clou; Theater- oder Ballett-Aufführungen, an denen manchmal auch die hochadligen Herrschaften persönlich teilnahmen, beschlossen den Tag. Typisch waren die sogenannten Bauernhochzeiten, eine bukolische Variante des Maskenballs, bei der die Rollen – Braut, Bräutigam, Eltern, Pfarrer, Dorfnotar, Bauern und Bäuerinnen – unter den blaublütigen Teilnehmern durch das Los verteilt wurden, mit der Einschränkung, dass der Kurfürst immer die heimliche Hauptrolle des Wirtes spielte.
    Das war die wundersame Welt, in die Louis van Beethoven, Bäckersohn aus Mecheln, im Jahr 1733 hineinversetzt wurde. Von nun an befand er sich auf einer ganz anderen sozialen Stufe. Er verdiente nicht schlecht, vor allem nach einer Beförderung im Jahr 1746, und konnte sich eine komfortable, mindestens aber standesgemäße Lebensführung leisten. Doch er war auch ehrgeizig und hoffte, früher oder später Leiter der Hofkapelle zu werden. Groß war deshalb seine Enttäuschung, als 1760 nicht er, sondern der Franzose Joseph Touchemoulin zum neuen Kapellmeister ernannt wurde. Obwohl Louis van Beethoven eine längere Dienstzeit vorweisen konnte, ist die Entscheidung für Touchemoulin sehr gut nachvollziehbar. Als brillanter Geiger war er schon seit Jahren ein besonderer Liebling des Kurfürsten; er hatte in Italien bei Giuseppe Tartini gelernt und sich in Paris einen Ruf als Komponist erworben. Daneben verblassten die Referenzen Louis van Beethovens, gegen den zweierlei sprach: Er war «nur» Sänger, und er hatte nie eine Note zu Papier gebracht. Natürlich gab es im europäischen Musikleben des 18. Jahrhunderts auch Kapellmeister, die keine Instrumentalisten waren (zum Beispiel Hasse in Dresden und Graun in Berlin), aber sie alle waren Komponisten von internationalem Ruf. Dennoch wollte sich Louis van Beethoven nicht damit abfinden, dass man ihn übergangen hatte. Er beschwerte sich in einem langen Brief, wurde aber, wie nicht anders zu erwarten, vom Kurfürsten energisch in seine Schranken verwiesen.
    Es sah also ganz so aus, als müsse sich Louis mit einer bescheidenen Laufbahn zufriedengeben, doch das änderte sich nach dem plötzlichen Tod Clemens Augusts am 6. Februar 1761. Der Kurfürst und Erzbischof von Köln starb, wie er gelebt hatte: Während eines Balls auf Schloss Ehrenbreitstein bei Koblenz, der Residenz der Trierer Kurfürsten, brach er zusammen und verschied in den Armen der Baronin von Waldendorf, einer seiner zahlreichen Geliebten. Die Ernennung seines Nachfolgers, des Reichsgrafen Maximilian Friedrich von Königsegg-Rothenfels, führte am Bonner Hof zu einem Bruch mit der Tradition. Zwar hatte der neue Kurfürst wie sein Vorgänger nicht allzu viel für Askese übrig und gab sich ebenso wenig Mühe, sein Interesse an holder Weiblichkeit zu verbergen. Er erkannte aber, dass ein Beibehalten von Clemens Augusts extravagantem Stil das Kurfürstentum geradewegs in den Ruin führen würde, zumal Verschiebungen in den europäischen Machtverhältnissen – man befand sich mitten im Siebenjährigen Krieg (1756–1763) – die ausländischen Geldquellen versiegen ließen.
    Maximilian Friedrich sparte, wo es nur ging, und eines der ersten Opfer war Kapellmeister Touchemoulin, der seine beachtlichen Bezüge auf wenig mehr als ein Drittel reduziert sah. Natürlich konnte Touchemoulin das nicht hinnehmen, zumal er wusste, dass er leicht anderswo eine Anstellung finden würde; so nahm er prompt seinen Abschied und ging nach Regensburg. Louis van Beethoven nutzte seine Chance und akzeptierte gern das Angebot, für ein nur mäßig – genauer gesagt um dreißig Prozent – erhöhtes Gehalt die Aufgaben von Sänger und Kapellmeister zu kombinieren. Dass die neuen Herren glaubten, sie könnten diese zwei Stellen ohne weiteres für die Kosten von einer besetzen, verrät allerdings eine gewisse Naivität und Kurzsichtigkeit. Sie wussten oder bedachten nicht,

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