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Beethoven: Der einsame Revolutionär. (German Edition)

Beethoven: Der einsame Revolutionär. (German Edition)

Titel: Beethoven: Der einsame Revolutionär. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Caeyers
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Sängerensemble die Oper Idomeneo komponieren durfte. Und gehört in diese Reihe nicht auch König Ludwig II. von Bayern, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in seiner Wagner-Idolatrie ein auf die Bedürfnisse dieses eigensinnigen Talents zugeschnittenes Privat-Odeon in Bayreuth errichten ließ?
    Die Wittelsbacher stehen in dem Ruf, ein wenig genialisch, spleenig und gelegentlich größenwahnsinnig zu sein. Immerhin hatten ihre Monarchen sehr zutreffend erkannt, dass sie politisch nicht mit anderen Fürstenhäusern ihrer Zeit konkurrieren konnten, vor allem nicht mit dem Hause Habsburg. Unter diesen Umständen entwickelten sie einen ebenso bemerkenswerten wie fruchtbaren Ehrgeiz auf den weniger heiklen Gebieten der repräsentativen Kunst und der Musik, wo sie ungemein produktiv und inspirierend wirkten.
    Als Clemens August 1723 zum Erzbischof und Kurfürsten von Köln ernannt wurde, sah es zunächst nicht so aus, als wäre er um dieses Amt zu beneiden. Das schwierig zu verwaltende Erzstift und Kurfürstentum Köln (Kurköln), das weltliche Herrschaftsgebiet der Kölner Erzbischöfe, war nämlich aus fünf nicht einmal benachbarten Kleinst-Staaten zusammengesetzt, wobei die weltlichen und geistlichen Hoheitsgebiete nicht deckungsgleich waren. Es kam noch hinzu, dass sich Kurköln im damaligen Europa an einem strategisch sensiblen Ort befand. Es lag nicht nur teilweise im linksrheinischen Gebiet, so dass es immer wieder zum Gegenstand französisch-deutscher Grenzkonflikte wurde, es war auch eine Pufferzone und in Kriegszeiten Durchzugs- und Aufmarschgebiet. Politisch bestand deshalb die wichtigste Aufgabe des Kölner Kurfürsten darin, im diplomatisch-strategischen Spiel der Großmächte eine möglichst neutrale Position einzunehmen, was praktisch darauf hinauslief, den Preis für die Neutralität ständig in die Höhe zu treiben. Und hierin war Clemens August ein Meister: Er verstand es, aus der strukturellen Schwäche seines weltlichen Herrschaftsgebiets so viel finanziellen Gewinn wie nur möglich zu ziehen. Nicht umsonst stand er in dem wenig schmeichelhaften Ruf, eine «Wetterfahne» zu sein.
    Außer durch seine großen Gewinne aus dem diplomatischen Pokerspiel finanzierte sich Clemens August noch aus einer anderen Quelle: dem Deutschen Orden. Im Lauf der Jahrhunderte war der geistliche Ritterorden mit seinen hohen, vom Christentum inspirierten Idealen zu einem nebulösen metastaatlichen Gebilde neben den bestehenden Herzog- und Fürstentümern, Bistümern und Reichsgebieten degeneriert, zu einer Interessengruppe der unterschiedlichsten Herrscher und Großgrundbesitzer. Obwohl er schon seit längerem keine wirkliche strategische und ideologische Bedeutung mehr hatte, verwaltete der Deutsche Orden immer noch ein gewaltiges Erbe von Ländereien mit beachtlichen Zinserträgen. Kein Wunder, dass diese Einnahmeform als willkommene Alternative zu Steuererhebungen auf den deutschen Adel wie ein Magnet wirkte, ermöglichte sie doch auch den Angehörigen von Nebenlinien einen standesgemäßen Lebensstil. Und wie für Armee und Kirche galt auch für den Deutschen Orden die alte aristokratische Logik, nach der die strengen Ernennungs- und Beförderungskriterien umso lascher angewandt wurden, je höher die erreichte Position war. So wurde Clemens August im Jahr 1732 Hochmeister – eine Art Generalsekretär – des Deutschen Ordens. Etwa zehn Jahre nach seiner Ernennung zum Kölner Kurfürsten stand er an der Spitze eines der wichtigsten politisch-ökonomischen Netzwerke Mitteleuropas und konnte mit den sehr willkommenen Zusatzeinnahmen aus dieser Stellung sein Miniatur-Versailles am Rhein finanzieren.
    Clemens August hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass ihn vor allem die repräsentative Seite seines Amtes interessierte. Es wird berichtet, dass ihm während seines Studienjahres in Rom ernste Zweifel an seiner geistlichen Berufung kamen. Erst nachdem sich der Papst persönlich eingeschaltet und ihm versichert habe, dass er sich erstens hauptsächlich seinen profanen Pflichten widmen könne und zweitens die Armuts- und Keuschheits-Gelübde nicht allzu wörtlich zu nehmen brauche, soll er die Ernennung zum Erzbischof angenommen haben.[ 2 ] Wenn es so war, hatte er eine Art Freibrief dafür erhalten, sein weiteres Leben als französisches Theaterstück zu inszenieren. Im prachtvollen Dekor aus neu erbauten und verschwenderisch ausgestatteten Schlössern, Kirchen, Theatern und Parks gestaltete Clemens August das

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