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Befehl von oben

Befehl von oben

Titel: Befehl von oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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Ämtern haßten sie, behandelten sie als zwar nützliche, aber ziemlich untergeordnete Mitarbeiterin und kochten darüber, daß sie einfach über die Straße geschlendert kommen und direkt ins Oval Office gehen konnte, denn der Präsident vertraute ihr wie nur wenigen anderen. Das hatte schließlich Anlaß zu der spitzen Bemerkung gegeben, der Präsident habe sicher einen triftigen Grund, sie herüberzurufen, schließlich seien die Leute aus der Gegend, aus der sie stammte, ja dafür bekannt, ein bißchen locker zu sein in bezug auf …
    Der Agent hatte ihre Hände zwar dem Pimpf aus dem Gesicht gezerrt, war aber zu langsam für ihr Knie gewesen. Arnie hatte ihm einerseits erklärt, daß die Wiederkehr zum Zentrum der Macht durch eine Anklage wegen sexueller Unregelmäßigkeit beeinträchtigt würde, hatte ihn aber dennoch auf die schwarze Liste gesetzt.
    Die Rede war fertig. Nach vier Stunden statt der drei, die sie versprochen hatte. Eine Menge Anstrengung für zwölf Minuten und dreißig Sekunden – sie schrieb gern ein bißchen kurz, denn Präsidenten neigten dazu, langsam zu sprechen. Ryan würde das noch lernen müssen. Sie druckte die Rede in 14 Punkt Helvetica aus, dreimal. Irgendwelche Wichtigtuer aus der politischen Abteilung würden sie noch einmal durchgehen und eventuell ein paar Korrekturen machen wollen. Das war jetzt kein so großes Problem mehr. Als der Drucker fertig war, nahm sie die Blätter, klammerte sie zusammen und hob den Hörer ab. Die oberste Schnellwähltaste führte zum genau richtigen Telefon auf der anderen Seite der Straße.
    »Weston, möchte zum Boß«, sagte sie zur Sekretärin.
    »Sie können sofort kommen.«
    Und damit war alles, wie es sein sollte.
    *
    Gott hatte ihre Gebete nicht erhört, das konnte Moudi sehen. Nun, die Chancen hatten dagegengestanden. Seinen islamischen Glauben mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zu vermischen war für den Doktor genauso ein Problem wie für seine christlichen oder heidnischen Kollegen – zwar war der Kongo seit über hundert Jahren dem Christentum ausgesetzt, doch die alten, animistischen Glaubensformen bestanden fort, und das machte es für Moudi leichter, sie zu verachten. Es war die alte Frage: Wenn Gott ein barmherziger Gott war, wieso konnte dann Unrecht geschehen? Das mochte eine gute Frage sein für eine Diskussion mit dem Imam, im Augenblick jedoch genügte es, daß solche Dinge geschahen, selbst den Gerechten.
    Sie wurden Petechien genannt; es war die wissenschaftliche Bezeichnung für die fleckigen Blutungen, die da auf ihrer blassen nordeuropäischen Haut deutlich sichtbar waren. Nur gut, daß diese Nonnen keine Spiegel benutzten – noch eine Kleinigkeit in ihrer religiösen Welt, die Moudi bewunderte, wenngleich er ihre Bedeutung nicht ganz verstand.
    Jedenfalls sollte sie die roten Punkte in ihrem Gesicht lieber nicht sehen.
    Sie waren an sich schon recht unansehnlich, aber viel schlimmer noch, sie waren Vorboten des Todes.
    Sie hatte jetzt 40,2 Fieber, und es wäre noch höher gewesen, wenn sie ihr nicht die Achselhöhlen und den Nacken mit Eis gekühlt hätten.
    Ihre Augen blickten teilnahmslos, der Körper lag reglos da vor Schwäche. Diese Symptome konnten viele Krankheiten erzeugen, aber die Petechien verrieten ihm, daß sie innerlich blutete. Ebola ist ein hämorrhagisches Fieber und gehört zu der Gruppe von Krankheiten, die Gewebe auf grundlegender Ebene zerstören, womit Blut überallhin in den Körper entweicht, und aufgrund von ungenügender Blutmenge zum Herzstillstand führen mußte. So war der Tötungsmechanismus, wie es jedoch dazu kam, mußte die medizinische Welt erst noch herausfinden. Jetzt gab es kein Aufhalten. Zwanzig Prozent überlebten die Krankheit; irgendwie gelang es deren Immunsystem, sich dem viralen Eindringling zu stellen und ihn zu schlagen – wie das geschah, war ebenfalls eine Frage, auf die es noch keine Antwort gab. Daß es in diesem Fall nicht geschehen würde, war eine Frage, die bereits beantwortet wurde.
    Er faßte sie ans Handgelenk, um ihr den Puls zu fühlen, und sogar durch die Gummihandschuhe war sie heiß und trocken und … lose. Es begann schon. Der wissenschaftliche Ausdruck war systemische Nekrose. Der Körper hatte bereits zu sterben begonnen. Die Leber vermutlich zuerst. Aus irgendeinem – nicht verstandenen – Grund hatte Ebola eine tödliche Vorliebe für dieses Organ. Selbst die, welche die Krankheit überstanden, mußten mit anhaltendem Leberschaden rechnen.

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