Befehl von oben
gelaufen – aber wer hätte denn denken können …?«
»Sie könnten ganz einfach, nun, die Sache vergessen.« Dieser Teil des Tanzes mußte genau im Takt der Musik ablaufen.
»Ich wünschte, ich könnte es«, sagte Kealty nach kurzer, nachdenklicher Pause, dann aber mit einer betroffenen, leidenschaftlichen Stimme.
Auch für ihn war dies gute Übung. »Aber, mein Gott, der Zustand, in dem das Land sich befindet. Ryan ist kein schlechter Kerl, kenne ihn seit Jahren.
Aber er hat nicht die leiseste Ahnung, wie man eine Regierung führt.«
»Es gibt diesbezüglich kein Gesetz, Ed. Nichts. Keine Richtlinie aus der Verfassung, und wenn, auch keinen Supreme Court, der das entscheiden könnte.« Das kam von Kealtys oberstem juristischem Berater, ehemals legislativer Assistent. »Das ist rein politisch. Es sieht nicht gut aus«, fügte er hinzu. »Es sieht nach …«
»Das ist der Punkt«, stellte der Stabschef fest. »Wir tun das aus nichtpolitischen Gründen, um den Interessen des Landes zu dienen. Ed weiß, er begeht politischen Selbstmord.« Gefolgt von sofortiger und glorreicher Wiederbelebung, live auf CNN.
Kealty erhob sich, begann, in dem Zimmer auf und ab zu gehen, und gestikulierte, während er sprach. »Laßt die Politik aus dem Spiel, verdammt noch mal! Die Regierung ist vernichtet! Wer wird sie wieder aufbauen? Ryan ist ein gottverdammter CIA Spook. Er hat keine Ahnung, wie der Regierungsapparat funktioniert. Wir haben einen Supreme Court zu wählen, Politik zu machen. Wir müssen den Kongreß wiederaufbauen. Das Land braucht Führung, und er weiß nicht die Bohne darüber. Ich mag mein eigenes politisches Grab schaufeln, aber es muß jemand aufstehen und unser Land beschützen!«
Keiner lachte. Seltsam, daß es ihnen überhaupt nicht in den Sinn kam. Die Mitarbeiter waren beide seit über zwanzig Jahren bei EJK, hatten sich so fest an diesen speziellen politischen Mast gebunden, daß ihnen nun gar keine andere Wahl blieb. Dieses Stück Theater war genauso notwendig wie die Verse des Chores bei Sophokles oder Homers Beschwörung der Muse. An die Poetik der Politik hatte man sich zu halten. Immerhin ging es ums Land und um die Nöte des Landes und Eds Dienst für das Land über eineinhalb Generationen hinweg, denn er war dagewesen und hatte ihn die ganze Zeit geleistet, wußte, wie das System funktionierte, und wenn alles am Boden lag, konnten nur Menschen wie er helfen. Schließlich war die Regierung das Land. Sein ganzes Berufsleben hatte er dieser Theorie gewidmet.
Das alles glaubten sie tatsächlich, und nicht weniger fest als seine beiden Mitarbeiter war Kealty an denselben Mast gebunden. Wie sehr dies von seinem Ehrgeiz ausging, konnte nicht mal er sagen, denn Glaube wird einem zur Tatsache, wenn man ihn ein Leben lang verkündet hat. Gelegentlich hatte es zwar den Anschein, als ob das Land von seinen Überzeugungen wegdriften wollte, doch wie ein Evangelist keine andere Wahl hat, als die Leute inständig zur Umkehr zum wahren Glauben zu gemahnen, hatte Kealty die Pflicht, das Land zu den philosophischen Ursprüngen zurückzuführen, für die er fünf Legislaturperioden lang im Senat eingetreten war und eine kürzere Zeit als Vizepräsident. Über fünfzehn Jahre lang hatte er als Gewissen des Senats gegolten, so genannt von den Medien, die ihn ob seiner Ansichten, seines Glaubens und seiner politischen Familie liebten.
Vielleicht wäre es günstiger, wenn er hier die Medien konsultiert hätte, wie so oft in der Vergangenheit, wenn er sie über Gesetzesvorlagen oder Zusatzartikel zur Verfassung informierte und nach ihren Ansichten fragte – die Medien liebten es, benötigte man ihre Meinung –, oder wenn er sich einfach nur vergewissert hätte, daß sie auch auf die richtigen Partys kamen. Aber nicht in diesem Fall. Nein, er mußte geradlinig vorgehen. Der Anschein der Begünstigungspflege durfte nicht riskiert werden, wohingegen der freiwillige Verzicht auf dieses Manöver seiner Aktion den Hauch von Legitimität verleihen würde. Hochherzig.
Das war das Bild, das er vermitteln wollte. Zum erstenmal in seinem Leben würde er auf alle politische Tapisserie verzichten, und indem er das tat, ein neues Segment sticken. Das einzige, was jetzt zu bedenken war, war richtiges Timing. Und das war etwas, wo ihm seine Medienkontakte behilflich sein konnten.
*
»Um wieviel Uhr?« fragte Ryan.
»20.30 Uhr Washington«, antwortete van Damm. »Heut abend gibt es ein paar Specials, Lotteriewoche,
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