Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Befehl von oben

Befehl von oben

Titel: Befehl von oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
Vom Netzwerk:
und die haben gebeten, uns anzupassen.«
    Ryan hätte darüber grummeln können, tat es aber nicht. Seine Gedanken standen ihm sowieso deutlich im Gesicht.
    »Das bedeutet, daß Sie an der Westküste etliche Leute an ihren Autoradios erreichen«, erklärte Arnie. »Wir haben alle fünf Syndikate, plus CNN und C-SPAN. Das ist nicht selbstverständlich, wissen Sie. Es ist eine Gefälligkeit. Die brauchen Sie überhaupt nicht ranzulassen. Die bringen das unter der Rubrik politische Reden …«
    »Verdammt, Arnie, dies ist nicht politisch, es ist …«
    »Mr. President, gewöhnen Sie sich dran, okay? Jedesmal, wenn Sie etwas von sich geben, ist es politisch. Selbst die Abwesenheit von Politik ist ein politisches Statement.« Arnie hatte große Mühe, seinen neuen Boß zu unterrichten. Der hörte gut zu, aber oft hörte er nicht drauf.
    »Okay. Das FBI sagt, ich kann das alles offenlegen?«
    »Ich habe vor zwanzig Minuten mit Murray gesprochen. Er ist einverstanden. Callie ist schon dabei, es in die Rede einzuarbeiten.«
    *
    Sie hätte ein besseres Büro haben können. Als Nummer eins der Redenschreiber des Präsidenten hätte sie einen vergoldeten Personalcomputer auf einem Schreibtisch aus Carrara-Marmor verlangen können. Statt dessen benutzte sie einen zehn Jahre alten Apple Macintosh Classic, weil der günstig war und ihr der kleine Bildschirm nichts ausmachte. Ihr Büro mußte einmal Schrank oder Lagerraum gewesen sein, damals, als der Indian Treaty Room tatsächlich für den Abschluß von Verträgen mit den Indianern benutzt wurde. Der Schreibtisch war in einem Bundesgefängnis hergestellt worden, und wenn der Stuhl auch bequem war, so war er doch schon dreißig Jahre alt. Der Raum hatte eine hohe Decke.
    Das machte ihr das Rauchen leichter, ein Verstoß gegen Gesetze vom Bund und vom White House, die ihr gegenüber nicht durchgesetzt wurden. Das letztemal, als einer versucht hatte, sich mit ihr anzulegen, war ein Secret-Service-Agent gezwungen gewesen, sie von ihm loszureißen, sonst hätte sie ihm wohl die Augen ausgekratzt. Daß ihr nicht sofort gekündigt worden war, galt als Signal ans übrige Personal im Old Executive Office Building. Es gab eben Mitarbeiter, die man nicht anrühren durfte. Callie Weston war eine davon.
    Ihr Zimmer hatte keine Fenster. Sie brauchte auch keine. Für sie bestand die Realität aus ihrem Computer und den Fotos an den Wänden.
    Eins war von ihrem Hund, einem alternden englischen Schäferhund namens Holmes (Oliver Wendeil, nicht Sherlock; sie bewunderte die Prosa des Yankees vom Olymp, eine Anerkennung, die sie nur wenigen anderen gewährte). Die anderen waren von politischen Größen, Freunden und Feinden, und sie studierte sie ständig. Hinter ihr standen ein kleiner Fernsehapparat und ein Videorecorder, ersterer gewöhnlich auf C-SPAN oder auf CNN eingestellt; den anderen benutzte sie hauptsächlich, um sich aufgenommene Reden, die andere geschrieben hatten und die an allen möglichen Orten gehalten worden waren, aufmerksam zu betrachten. Die politische Rede war ihrer Meinung nach höchste Form der Kommunikation. Shakespeare hatte in seinen Stücken zwei bis drei Stunden, seine Idee zu vermitteln. Hollywood versuchte dasselbe in etwa der gleichen Zeit. Sie nicht. Sie hatte fünfzehn Minuten als unterstes Limit und vielleicht fünfundvierzig als oberstes, und ihre Ideen mußten rüberkommen. Sie mußten den Durchschnittsbürger, den gewieftesten Politiker, den zynischsten Reporter ansprechen. Sie studierte das, worüber sie schrieb, und sie studierte den, für den sie schrieb, und so studierte sie jetzt Ryan, spielte die paar Worte, die er am Abend seines Amtsantritts gesagt hatte, immer wieder ab, dann die TV-Spots vom folgenden Morgen. Sie beobachtete seine Augen, seine Gesten, seine Anspannung und Heftigkeit, seine Haltung und Körpersprache. Ihr gefiel, was sie sah, im abstrakten Sinn. Ryan war ein Mann, dem sie zum Beispiel als Investmentberater vertrauen würde. Aber er mußte noch vieles lernen, was einen Politiker ausmachte, und jemand mußte es ihn lehren – oder vielleicht doch nicht? fragte sie sich. Vielleicht … indem er kein Politiker war …
    Gewinnen oder verlieren, es würde Spaß machen. Zum erstenmal Spaß, nicht Arbeit.
    Niemand wollte es zugeben, aber sie war eine der begabtesten von allen, die hier arbeiteten. Fowler war das klar gewesen und ebenso Durling, und deshalb hatten sie auch ihre Marotten in Kauf genommen. Die Leute mit höheren politischen

Weitere Kostenlose Bücher