Befehl von oben
Doch man lebte nicht lange genug, um daran zu sterben, denn alle Organe starben, manche schneller als andere, bald aber alle zusammen.
Der Schmerz war so grausam wie unsichtbar. Moudi schrieb eine Anweisung, die Morphiumdosis zu erhöhen. Zumindest konnten sie den Schmerz lindern, gut für die Patientin und eine Sicherheitsmaßnahme für die Betreuer. Ein gemarterter Patient konnte um sich schlagen, und das war für alle ein Risiko, die mit einem zu tun hatten, dessen Krankheit durch Blut übertragen wurde mit allgemeiner Blutungsneigung. Zum Schutz der Kanüle war ihr linker Arm fixiert. Trotz dieser Sicherheitsvorkehrung wirkte die IV schon sehr zweifelhaft, und noch eine zu legen, wäre sowohl gefährlich als auch schwierig gewesen, so zerfallen war bereits das Gefäßgewebe.
Schwester Maria Magdalena pflegte ihre Freundin, das Gesicht bedeckt, doch die Augen traurig. Moudi sah sie an und sie ihn, überrascht vom Mitgefühl in seinem Gesicht. Moudi galt als sehr kalt.
»Beten Sie mit ihr, Schwester. Ich habe jetzt einiges zu tun.« Und geschwind. Er ging aus dem Zimmer, streifte sein Schutzgewand ab und tat alles in die vorgesehenen Behälter. Alle in diesem Gebäude benutzten Nadeln kamen in Spezialbehälter für ›Scharfes‹, um ganz gewiß vernichtet zu werden – die laxe Haltung in Afrika gegenüber Vorkehrungen dieser Art hatte 1976 zum Ausbruch der ersten Ebola-Epidemie geführt. Der Erregerstamm war Ebola-Mayinga genannt worden, nach einer Krankenschwester, die dem Virus anheimfiel, vermutlich durch Sorglosigkeit. Inzwischen hatte man daraus gelernt, aber Afrika war immer noch Afrika.
Wieder in seinem Büro, telefonierte er erneut. Jetzt würden die Dinge ihren Lauf nehmen. Zwar wußte er nicht so genau, was, würde aber an der Bestimmung mitarbeiten, und das tat er, indem er sogleich die Literatur nach etwas Zwecklosem zu durchforsten begann.
*
»Ich werde Sie retten.« Diese Bemerkung ließ Ryan lachen und Price zusammenzucken. Arnie drehte nur den Kopf und sah sie an. Der Stabschef nahm zur Kenntnis, daß sie sich nicht sonderlich herausputzte. Es war eigentlich ein Pluspunkt in den Augen des Secret Service, der die aufgedonnerten Mitarbeiter des White House als ›Pfauen‹ bezeichnete; da gab es weniger höfliche Ausdrücke. Selbst die einfachen Sekretärinnen gaben mehr für Kleidung aus als Callie Weston. Arnie streckte einfach seine Hand aus, »Geben Sie her«, und gab's weiter.
Präsident Ryan war sehr dankbar für die große Schrift. So mußte er keine Brille aufsetzen oder sich blamieren, indem er jemanden bat, die Schrift zu vergrößern. Als ein schneller Leser, ließ er sich für dieses Dokument Zeit.
»Eine Veränderung?« sagte er nach einem Augenblick.
»Und das wäre?« fragte Weston argwöhnisch.
»Wir haben einen neuen Finanzminister. George Winston.«
»Der Zillionär?«
Ryan blätterte die erste Seite um. »Na ja, ich hätte ja auch einen Penner von der Parkbank nehmen können, aber ich dachte, jemand, der sich mit den Finanzmärkten auskennt, wäre nicht schlecht.«
»Wir nennen sie ›Obdachlose‹, Jack«, betonte Arnie.
»Oder ich hätte auch einen Akademiker nehmen können, aber da wäre Buzz Fiedler der einzige gewesen, dem ich traue«, fuhr Jack gelassen fort. Selten bei Akademikern: Fiedler wußte, was er nicht wußte.
Verdammt. »Das ist gut, Ms. Weston.«
Van Damm kam zu Seite drei. »Callie …«
»Arnie Baby, Sie schreiben nicht Olivier für George C. Scott. Sie schreiben Olivier für Olivier und Scott für Scott.« Im Innern war sich Callie Weston bewußt, daß sie nur einen Flug von Dulles nach LAX nehmen, ein Auto mieten und zu Paramount fahren mußte, und in sechs Monaten hätte sie ein Haus in Hollywood Hills, einen Porsche, mit dem sie zu ihrem reservierten Parkplatz am Melrose Boulevard fuhr, und diesen vergoldeten Computer. Aber nein. Die ganze Welt mochte zwar eine Bühne sein, aber der Teil, für den sie schrieb, war der bedeutendste und der strahlendste. Zwar mochte die Öffentlichkeit nicht wissen, wer sie war, doch sie wußte, daß ihre Worte die Welt veränderten.
»So, was also bin ich genau?« wollte der Präsident wissen.
»Sie sind anders. Hab' ich Ihnen doch schon gesagt.«
12
Präsentation
Nur wenige Aspekte des Lebens waren besser vorhersagbar, dachte Ryan. Er hatte leicht zu Abend gegessen, um schmerzhaftem Magenflattern vorzubeugen, und ignorierte seine Familie weitestgehend, während er die Rede las und immer wieder las. Er
Weitere Kostenlose Bücher