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Befehl von oben

Befehl von oben

Titel: Befehl von oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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Fläschchen mit Desinfektionsmittel auf, drehte dem Jungen dann langsam und sanft die Hand um, so daß die Verletzung freilag. Als sie mit der anderen Hand die Flasche schüttelte, spritzte dem Patienten etwas Flüssigkeit ins Gesicht.
    Er hob den Kopf und nieste im Schlaf, und es ergossen sich die üblichen Tröpfchen in die Luft. Schwester Jean Baptiste erschrak, machte aber weiter; sie goß etwas auf einen Wattebausch und tupfte damit sorgsam die Wunde ab.
    Sie legte dem Jungen den neuen Verband an, und erst dann wischte sie sich mit dem Handrücken übers Gesicht, ohne zu wissen, daß, als der Patient nieste, sich seine Hand in ihrer bewegte und sie dabei etwas Blut abbekam und daß das Blut noch immer an ihrer Hand war, als sie sich damit über die Augen fuhr. Die Gummihandschuhe, wenn sie sie geholt hätte, hätten in diesem Falle wohl gar nichts genützt, was nur ein schwacher Trost gewesen wäre, wenn sie sich drei Tage später überhaupt noch daran erinnert hätte.
    *
    Hätte bleiben sollen, wo ich war, sagte sich Jack.
    Zwei Sanitäter hatten ihn einen freien Gang die Osttreppe hinaufgeführt, mitsamt seiner Rotte aus Marines und Secret-Service-Leuten, alle noch mit gezückten Waffen, eine auf makabre Weise ulkige Szene, denn keiner wußte so recht, was er tun sollte. Dann stießen sie auf eine ziemlich geschlossene Linie von Feuerwehrleuten, die mit ihren Strahlrohren den Flammenherd bespritzten. Massenhaft wehte Wasser zurück und ihnen ins Gesicht. Durch den Wassernebel war das Feuer hier eingedämmt, und da man nicht aufhörte, alles einzuweichen, war es für die Bergungsmannschaften verhältnismäßig sicher, in die Überreste vom Plenarsaal hinabzusteigen. Man mußte kein Experte sein, um zu wissen, was sie vorfanden. Keine gehobenen Köpfe, kein heftiges Gestikulieren, keine Schreie.
    Die Männer – und Frauen, auch wenn man sie aus dieser Entfernung nicht unterscheiden konnte – bahnten sich vorsichtig ihren Weg, mehr auf die eigene Sicherheit bedacht als auf alles andere, denn es gab offenkundig keinen Grund, das eigene Leben für Tote aufs Spiel zu setzen.
    Lieber Gott, dachte er. Jack konnte sehen, wo ein ganzer Abschnitt der Galerie in den Plenarsaal hinabgestürzt war. Die Diplomatengalerie, wenn er sich recht erinnerte. Leute von Rang und Namen, von denen er viele gekannt hatte, waren mit ihren Angehörigen ins Capitol gekommen, um zu sehen, wie er vereidigt wurde. War er damit schuld an ihrem Tod?
    Ryan hatte das CNN-Gebäude verlassen, weil er meinte, etwas tun zu müssen. Jetzt war er sich dessen nicht mehr so sicher. Hatte er nur den Ortswechsel gebraucht? Oder hatte ihn der Schauplatz nur ebenso angezogen wie all die anderen Leute, die ums Capitol herumstanden, genauso schweigsam wie er, nur schauend und nichts tuend wie er?
    Seine Benommenheit war immer noch nicht weg. Er war in der Erwartung hergekommen, etwas zu sehen und zu fühlen und dann zu tun zu finden, entdeckte aber nur etwas, vor dem seine Seele noch mehr erschrak.
    »Es ist kalt hier, Mr. President. Gehen Sie zumindest aus diesem verdammten Sprühregen weg«, drängte Price.
    »Okay.« Ryan nickte und ging wieder die Treppe hinunter. Der Feuerwehrmantel, fand er, war auch nicht gerade sehr warm. Er erschauerte erneut und hoffte, daß es wirklich nur an der Kälte lag.
    Es hatte gedauert, die Kameras in Position zu bringen, aber jetzt waren sie da, sah Ryan. Die kleinen, tragbaren – alles japanische, wie er mit einem Grunzen feststellte – mit ihren kleinen, aber starken Leuchten.
    Irgendwie war es ihnen gelungen, an den Polizeisperren und den Feuerwehrkommandeuren vorbeizukommen. Vor jeder von ihnen stand ein Reporter – die drei, die er sehen konnte, waren alles Männer – mit Mikrofon in der Hand und bemühte sich, so zu klingen, als wüßte er mehr als jeder andere. Einige Lampen waren auch auf ihn gerichtet, bemerkte Jack. Im ganzen Land und der ganzen Welt sahen Leute auf ihn und erwarteten, daß er wußte, was zu tun war. Wieso geben sich Leute immer der Illusion hin, die in der Regierung seien klüger als etwa ihr Hausarzt, ihr Rechtsanwalt oder ihr Steuerberater? Seine Gedanken schweiften zurück zu seiner ersten Woche als Second Lieutenant im Marine Corps, als in ähnlicher Weise erwartet wurde, daß er ganz genau wußte, wie man einen Zug führt.
    Heute, erinnerte sich Jack, wurde eine solche Situation » Gelegenheit zum Nachweis der Führungsqualität « genannt, was bedeutete, daß man nicht die

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