Befohlenes Dasein
Kamana?
Antonio Stia ist viel zu mißtrauisch, als daß er das, was er sieht, für harmlos und unbedeutend ansehen würde. Und dann hört er Stimmen. Es ist die Stimme eines unbekannten Mannes, eine zynische Stimme, der ein anderer Mann antwortet. Und aus den Worten, die gesprochen werden, kombiniert Stia blitzschnell die wahre Situation.
Ein Fremder hat Kamana überwältigt, hat sich in den Besitz der Apparatur gesetzt, hat Kamana wahrscheinlich gezwungen, die Maschine zu bedienen! Stia tritt leise in den Bibliotheksraum zurück. Ein Buch liegt aufgeschlagen in einem der Regale. Stia wirft einen Blick hinein. Sekten- und Moralkrieg auf dem Hennos. Er schlägt den Einband um: „Grausamkeiten der Geschichte“. Verflucht, was geht hier vor? Hat dieser Unbekannte seine beiden Opfer etwa gar der Hölle eines Sektiererkampfes überantwortet? Warte, wenn ich dich erwische – denkt Antonio Stia mit der ihm eigenen Schlaksigkeit.
Er muß jetzt schnell und gründlich in Aktion treten.
Der Mitarbeiter Kamanas begibt sich leise nach oben. In den beiden Wagen, die vor dem Haus stehen, lockert er zunächst die Ventile der Reifen. So – murmelt er vor sich hin –, diese beiden Autos sind zunächst einmal ausgeschaltet. Dann bringt er seinen eigenen Wagen in Sicherheit, den er in die nächste Seitenstraße stellt. Mit dem harmlosesten Gesicht der Galaxis macht er sich dann auf den Weg, um dem Bungalow Kan Kamanas seinen zweiten Besuch abzustatten.
*
Ko-os Teran und Ira Tarwi betreten den menschenwimmelnden Marktplatz einer kleinen Stadt. Es herrscht ein unbeschreiblicher Tumult, doch haben sie beide keine Ahnung, um was es sich handelt. Sie sehen eine Menge schwarzgekleideter Männer und Frauen, die sich in großer Erregung zu befinden scheinen. Viele von ihnen sind mit Knüppeln und Eisenspitzen bewaffnet.
Es ist ein unfreundlicher, kalter, regnerischer Tag. Ira Tarwi im schulterfreien Abendkleid, fröstelt, während ihr Begleiter, der einen eleganten, dunklen Anzug trägt, noch nichts zu spüren scheint. In völliger Unbefangenheit betreten die beiden Menschen den Marktplatz. In der Mitte des Platzes steht ein haushohes Denkmal, ein schwarzes, eisernes Oval, aus dem strahlenförmige, schwarze Spitzen herausragen.
„Was mag hier los sein?“ fragt Ko-os Teran seine Genossin.
Ira Tarwi zuckt die Schultern. „Was geht es uns an?“ fragt sie. „Wir haben damit nichts zu tun.“
Sie sprechen miteinander, irgendwie wissen sie, daß sie zusammengehören. Sie wissen nicht, wie sie dieses Zusammengehörigkeitsgefühl begründen sollen, sie machen sich auch keine Gedanken darüber, was eigentlich sie an diesem Ort zu suchen haben. Ihr Handeln ist rein instinktiv und vom Unterbewußtsein diktiert.
Ohne Zweck und Ziel begeben sie sich auf den Marktplatz. Hier bleiben sie allerdings einige Augenblicke lang stehen, denn was sie sehen, kommt ihnen ebenso unverständlich wie auch erschreckend vor.
Das Volk auf dem Marktplatz scheint eine Treibjagd auf Menschen zu veranstalten. Einige Frauen und Männer fliehen laut schreiend vor einer Meute schwarzgekleideter Verfolger.
Ira und Ko-os Teran blicken entsetzt auf die Szene, die sich vor ihren Augen abspielt.
„Was haben diese Menschen getan?“ hält Ko-os Teran einen der Vorübergehenden an.
„Das wißt ihr nicht?“ fragt der Mann, der eine schwarze Schärpe um den Leib gewickelt hat. „Seid auch ihr Unmoralische, daß ihr solche Fragen stellt? Wer seid ihr, daß ihr nicht wißt, daß der große Geist Litpaka befohlen hat, das Unreine und Verworfene auszurotten, auf daß er nicht Rache nehme an den gläubigen Menschen?“
„Ich danke dir für deine Auskunft, Freund!“ unterbricht ihn der ehemalige Bankdirektor des Kidor schroff. „Wir sind aus der Fremde und kümmern uns nicht um eure Angelegenheiten.“
„Sagt nicht der große Geist Litpaka“, fährt der Mann mit der schwarzen Schärpe fort, „daß alles, was fremd ist, verderblich sei und dem Bösen hörig? Beweist nicht deine Rede, daß du nicht gewillt bist, unsere heilige Lehre anzuerkennen?“
Eine beachtliche Menschenmenge hat die beiden Fremden und den fanatischen Diskutierer umringt. Zuerst sind es leise Bemerkungen, die ausgetauscht werden, jetzt aber hört man schon Rufe, die alles andere als freundlich sind. Hier fürchtet sich einer vor dem anderen, und jeder bemüht sich, in seiner Gesinnung anerkannt zu werden und sich hervorzutun. Ko-os Teran erkennt nicht das Gefährliche der Situation,
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