Befohlenes Dasein
hinter sich gebracht. Dann sehen sie, wie die Verfolger aus dem Wäldchen hervorbrechen und sich schreiend auf die Entflohenen aufmerksam machen. Wie ein Schwarm Ameisen breiten sich die Sektierer auf der Strecke aus. Sie haben noch immer mit dreißig bis vierzig Verfolgern zu rechnen, während die anderen zurückbleiben, um sich zur Stadtmauer zurückzubegeben.
Als Ko-os Teran und seine Genossen den gegenüberliegenden Wald erreicht haben, sind die ersten ihrer Verfolger auf dem Gipfel der Anhöhe angekommen Jetzt aber haben sie vorläufig nichts mehr zu fürchten, denn der Wald ist unübersehbar und ziemlich dicht. Sie dringen einen halben Kilometer in den Wald ein und wenden sich dann nach links, um im Schutz der Bäume das Mittelgebirge zu erreichen, dessen Kuppen ebenfalls waldbedeckt sind. Langsamen Schrittes gehen die beiden Männer weiter, von der Sorge um Ira Tarwi belastet. Aber es wäre einfach Selbstmord, wenn sie ihretwegen noch einmal zum Kiefernwald zurückgehen würden. Sie müssen diese bittere Wahrheit in Kauf nehmen.
Wo aber ist Ira Tarwi geblieben? Sie war blind in den Wald hineingerannt, ohne sieh darum zu kümmern, was ihr Ko-os Teran kurz vorher über die einzuschlagende Richtung gesagt hatte. So war sie in ihrem hastigen Lauf unwillkürlich etwas zu weit nach rechts geraten. In ihrer Todesangst hielt sie erst inne, als sie feststellen mußte, daß sie an einem kleinen Fluß gelandet war, den sie wegen seiner Tiefe nicht überschreiten wollte. Teran hatte von einer Anhöhe gesprochen – demnach war es vielleicht richtig, wenn sie dem Lauf des Flüßchens in umgekehrter Richtung folgte.
Der Fluß bewegte sich zur Stadt hin, demnach entfernte sie sich immer weiter von der Stadt, wenn sie stromaufwärts ging. Sie dachte nicht daran, daß Teran und sein Begleiter am Ausgang des Kiefernwäldchens einen Winkel von 90 Grad eingeschlagen hatten, so daß sie mit diesem Flüßchen überhaupt nicht in Berührung kamen.
Nach einer Weile hastigen Laufens geriet sie in ebenes, übersichtliches Gelände. Links von ihr befand sich eine Anhöhe, und von dort her hörte sie auch Rufe und Pfiffe, wenn sie auch niemand sehen konnte.
Sie war völlig außer Atem und verlangsamte das Tempo. Dabei beachtete sie allerdings nicht, daß man sie von der Anhöhe aus sehen kann. Und der Zufall will es, daß einer der schwarzgekleideten Sektierer seinen Blick nach unten zu dem Flüßchen richtet. Ein Ruf macht die anderen aufmerksam.
Jetzt haben sie auch die anderen erkannt. Ein Teil der Verfolger rennt auf der Kuppe der Anhöhe entlang, um ihr den Weg abzuschneiden, die anderen werden von oben her an das Flüßchen dirigiert. Ira Tarwi erkennt zu ihrem Schrecken, daß man sie entdeckt hat. Sie läuft um ihr Leben, aber die schwarzen Männer haben sie oben schon überholt und jagen jetzt den Berg hinunter, ihr die weitere Flucht abzuschneiden. Und hinter sich, kaum fünfzig Meter von ihr entfernt, kommen bereits die anderen. Ira Tarwi ist viel zu erschöpft, als daß sie noch zu einer erfolgbringenden Aktion fähig wäre. Mit letzter Kraft ruft sie noch laut um Hilfe, dann wird sie niedergerungen.
Ira Tarwi wird zum Richtplatz geschleppt. Man fesselt sie an den Pfahl.
Schon haben die Sektenmänner unter ihr das Reisig in Flammen gesetzt. Heiße Rauchwolken steigen zu ihr auf. Ohnmächtig zerrt sie an den Fesseln, die tief in ihre Haut einschneiden.
Und dann hört man plötzlich einen schrillen Schrei. Vor dem Scheiterhaufen, auf dem Ira Tarwi verbrannt werden soll, steht einer der Schwarzgekleideten und hat den Arm weit ausgestreckt, als wolle er die anderen auf ein besonderes Ereignis aufmerksam machen. Und dann sehen auch die anderen das Unfaßbare.
Durch Qualm und Brand erblicken sie den Pfahl, an dem die Flammen gierig emporzüngeln. Doch wo ist die Gestalt geblieben, die noch vor Sekunden an den Pfahl gefesselt war?
Nichts, nichts – sie ist verschwunden, als habe sie der große Geist Litpaka selbst geholt.
Die Anhänger der Sekte Litpaka sinken – vom Grauen geschüttelt – zu Boden. Der große Geist Litpaka hat sich ihnen durch ein Wunder offenbart. Wie ist dieses Wunder zu deuten?
„Löscht die Feuer!“ schreit einer in einem Anfall wahnsinniger Angst und Furcht. „Der große Geist will es nicht, daß wir töten!“
Und wie es immer in undurchsichtigen Situationen ist, bei denen das Volk und die Menge beteiligt ist: wenn einer zuerst die Initiative ergreift, laufen die anderen hinterher. Der
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