Befreiung vom Schleier - wie ich mich von meinem türkischen Freund und aus der islamischen Parallelwelt lösen konnte
meinem Kopf herrschte Chaos und die schlimmsten Szenarien schwirrten mir vor den Augen herum, ohne dass ich etwas dagegen tun konnte.
Es war eine Sache, ein Buch über meine Erlebnisse mit Mahmud zu schreiben, aber es war eine ganz andere, ihn zwanzig Jahre nach den Taten dafür vor Gericht zu bringen.
Ich war mir zu 100 Prozent sicher, dass dies meinen Tod bedeuten würde. Diese Demütigung würde er mir niemals verzeihen. Niemals!
Herr Zimmer räusperte sich am anderen Ende der Leitung. »Sie können sich das mit dem Psychologen ja noch überlegen. Sagen Sie mir einfach bald Bescheid.«
Langsam begann mein Verstand wieder einzusetzen. »Aber ich hatte das Manuskript doch extra der Polizei zum Lesen gegeben, bevor es veröffentlicht wurde. Man hat mir gesagt, dass alle Straftaten verjährt seien. Erst nach dieser Information habe ich es zum Druck freigegeben, Herr Zimmer.«
»Wie schon gesagt, Frau Schneidt. Die Kollegen von der Polizei sind von schwerer Körperverletzung ausgegangen und die wäre in der Tat nach zwölf Jahren verjährt. Da Sie aber bei zwei der schlimmen Prügelattacken bewusstlos gewesen sind, ist das als versuchter Totschlag zu werten und der verjährt nie.«
10. Kapitel
Freude, Tränen und ganz viel Angst
D ie freudige Nachricht traf mich völlig unvorbereitet per E-Mail: Mein Buch »Gefangen in Deutschland« hatte es auf die Spiegel-Bestsellerliste geschafft. Zunächst zwar nur auf Platz 49, aber das konnte meine Freude nicht trüben.
Mein Schicksal interessierte viele Menschen und gehörte zu den fünfzig meistverkauften Büchern in Deutschland. Dies bedeutete, dass ich eine ganze Menge Frauen erreicht hatte, denen ich vielleicht etwas Mut und Hoffnung vermitteln und sie damit einen Schritt in Richtung gewaltfreies Leben begleiten konnte. Das war von Anfang an mein Ziel gewesen.
Abends ging ich mit meiner Familie essen, ich lud auch Herrn Müller mit seiner Familie dazu ein. Aus Herrn Müller war inzwischen längst Andreas geworden.
Ich hatte ihm das »Du« angeboten. Wenn man so viel Zeit miteinander verbringt, bleibt es nicht aus, dass sich eine gewisse Nähe und Vertrautheit einstellen. Mittlerweile hatte ich auch seine Frau und seine Töchter kennengelernt, die ich ebenfalls in mein Herz geschlossen hatte.
Wir waren in unser Stammlokal gegangen, dort hatten wir einen separaten Bereich für uns, sodass sich auch Andreas entspannen konnte. Seit mir Herr Zimmer eröffnet hatte, dass es ein Ermittlungsverfahren gegen Mahmud und Kerim geben würde, war meine Gefährdung noch um einiges gestiegen. Die Polizei sah das auch so, denn die routinemäßigen Streifenwagenkontrollfahrten durch unsere Straße hatten sich mehr als verdoppelt.
Am nächsten Tag sollte das Treffen von Polizei, LKA und mir stattfinden, und ich war froh über die Ablenkung an diesem Abend.
In der Zwischenzeit hatte ich auch schon mit dem Staatsanwalt telefoniert, der die Ermittlungen angeordnet hatte, und ich hatte ihm erklärt, dass ich nur aussagen könne, wenn man mir im Gegenzug gewisse Sicherheitsmaßnahmen zusagen würde.
Um dies zu entscheiden, würde es jedoch eine Extrasitzung mit allen für die Sicherheit zuständigen Beamten geben. Herrje, war das kompliziert …
Obwohl ich wirklich gut betreut wurde, konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass einige der Beamten wohl der Meinung waren, es würde keinen großen Unterschied machen, ob man ein Buch schreibt über Erlittenes und darüber auch in der Öffentlichkeit berichtet oder ob man vor einem Richter steht und dafür sorgt, dass der Peiniger hinter Gitter kommt.
Für mich war dieser Unterschied allerdings gewaltig. Mit meinem Buch kratzte ich erstens nur an der Oberfläche möglicher Straftaten und zweitens darüber hinaus vielleicht noch an der Ehre der Familie. Eine strafrechtliche Verurteilung eines ihrer Mitglieder würde sie aber in ernste wirtschaftliche und soziale Schwierigkeiten bringen, und ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie dies einfach so hinnehmen würden.
Diese Argumente führte ich auch am nächsten Tag bei der Lagebesprechung in der hiesigen Polizeistation an. Einige Polizeibeamte, Herr Zimmer sowie ein Integrationsbeauftragter der Polizei hatten sich dazu eingefunden. Herr Zimmer meinte, dass es durchaus sein könne, dass man mich in ein Zeugenschutzprogramm aufnehmen müsse. Ich entgegnete aber sofort, dass dies für mich nicht infrage käme. Zum einen besaß Rüdiger hier ein Haus, unsere Kinder
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