Begegnung im Schatten
Georgius’ wieder aus. Waldmann und Hartmann tuschelten, wobei Letzterer dem BRAUNAG-Mann etwas zu erklären schien. Stephan Ramlundts Kaumuskeln spielten, Sandra Georgius zwang sich zu äußerer Ruhe, sie hatte die Finger ineinander verschränkt, dass die Knöchel weiß hervortraten.
Nur Fritz Hegemeister, der sich zu den Übrigen gesellt hatte, schien auch innerlich gelassen. Nach etwa fünf Minuten sagte er: „So“, ging wieder zurück zur Schleuse, sprach ins Mobilgerät zu Roman Eiselt: „Es geht los – Dichtheitsprobe!“ Er schaltete den Kompressor ein, der Minister erschrak, ob des plötzlich einsetzenden Lärms. Die Folie der Schleuse blähte sich geräuschvoll. Es sah aus, als wüchse auf der Haut des Shuttles eine Brandblase.
Hegemeister beobachtete das Manometer, schaltete nach einer Zeit den Kompressor ab und starrte weiter gespannt auf den Zeiger. „Okay“, sagte er dann, „dicht!“ Und zu den Zuschauern gewandt: „Es geht los! Vakuum jetzt.“ Er begab sich zu einem zweiten Aggregat, schaltete, und wieder füllte Motorenlärm das Zelt. Die Blase schwand, die Folie der Schleusenzelle wölbte sich langsam zwischen den Gerüststangen nach innen.
Wenig später schaltete Fritz Hegemeister die Vakuumpumpe auf geringere Touren. „Melde sofort, wenn die Luke aufgeht, dass ich abschalte!“, wies er Roman an.
Im engen Innenraum der Schleuse langte Roman Eiselt nach einem der Permanentmagneten, und man sah, wie er die durch den Kreidekreis markierte Stelle auf der Wand des Shuttles nach allen Richtungen damit überstrich.
„Was ist?“, rief Sandra Georgius mit vor Erregung bebender Stimme.
Roman Eiselt antwortete nicht. Er bückte sich, nahm einen anderen der Magneten auf.
Als er den Vorgang bereits das vierte Mal wiederholte, zeichnete sich auf den Gesichtern Enttäuschung ab.
„Fritz, schalte den Elektromagneten ein“, ordnete Roman Eiselt an.
Das Brummen des Gerätes drang aus der Schleuse ins Zelt.
Roman Eiselt wuchtete den schwergewichtigen Eisenkern empor und begann das Spiel von Neuem. Plötzlich hielt er ein, legte den Kopf an die Wand. Kein Zweifel, er lauschte. Dabei bewegte er den Magneten sacht hin und her. „Es klickt etwas“, murmelte er. Es klang dumpf, fast unverständlich.
Nach wenigen weiteren Schüben legte er das Gerät ab. Mit der Hand, man sah es von außen deutlich, zumal die Beobachter dicht an die Schleuse herangetreten waren, fuhr Roman die Fuge der Luke entlang, wieder und wieder. „Ich versucht“, sagte er dann, und er griff zum Kuhfuß. Er setzte zögernd das Meißelende an die Fuge und nahm den Hammer auf. „Schalte die Pumpe ab!“, rief er. Dann, als Hegemeister der Forderung rasch nachgekommen war, holte er mit dem Hammer aus, so weit die Enge es erlaubte, und hieb zu.
Man hörte es draußen: Unwillkürlich wichen die Umstehenden zurück. Als ginge ein überdimensionales Einweckglas auf, war da ein Geräusch. Gleichzeitig wurde die Folie der Schleusenkabine schlapp. Das Vakuum war zusammengebrochen.
Langsam zog Roman Eiselt die Luke auf. Er zögerte dabei sichtlich, als beginge er ein Sakrileg. Offenbar war er sich der Größe des Augenblicks bewusst.
Draußen ein mehrstimmiges Aufatmen. „Er hat es!“, rief Sandra Georgius, und sie drückte Kalischs Oberarm. Der Minister sagte: „Na, bitte“ und Stephan Ramlundt. „Glück gehabt!“
Fritz Hegemeister schickte den Spruch hinterher: „Ohne Gewalt kein Preis“. Hartmann klatschte in die Hände und Waldmann nickte nachdrücklich mit dem Kopf.
Noch stand Roman Eiselt bewegungslos vor der halb geöffneten Luke.
„Die Gasanalyse, Roman, die Gasanalyse – was ist denn?“, rief Sandra Georgius ungeduldig nach Augenblicken der Sammlung.
„Natürlich“, antwortete Roman Eiselt. In seine Gestalt kam Bewegung. Er hantierte mit den Geräten, stark behindert durch den Platzmangel in der Kabine. Die Geduld der Wartenden wurde auf eine harte Probe gestellt.
Dann endlich der befreiende und überraschende Satz Roman Eiselts: „Es ist Luft unter normalem Druck, einfach Luft mit einem etwas geringeren Sauerstoffanteil.
Ich filme jetzt.“ Wieder wand sich Roman Eiselt in der Enge. Dann verschwand sein Oberkörper halb in der Öffnung. Starkes Licht ließ die Konturen der Luke kräftig hervortreten. Gleichzeitig erhellte sich der große Bildschirm, der, ein wenig entfernt von der Schleuse aufgebaut, jetzt die äußerst gespannte Aufmerksamkeit aller auf sich zog.
Verkantet und zu schnell zogen
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